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German Blues, oder: Whatever happend to my good ol' Verfassungspatriotismus???

Roman70

New Member
Registriert
10. April 2008
Beiträge
71
Nachdem ich die verschiedenen Threads zur "Deutschen Nation" gerafft gelesen hatte (übrigens eine augenfällige, dennoch häufige Fehlleistung, von einem "Threat" zu sprechen!!!), fragte ich mich unwillkürlich: Was soll das denn?!
Dieses "Was soll das?" lässt sich zu einer konkreteren Frage umformulieren, die dem ganzen womöglich doch etwas Produktives abgewinnen kann, nämlich: Welche FUNKTION kann denn das Konstrukt "Nationalität", wie es hier zur Diskussion gestellt wurde, im 21. Jahrhundert noch haben? Und zwar einerseits im Kontext diverser gesellschaftlicher Diskurse (also für das Kollektiv, die Demokratie, den Staat... siehe z.B.: "Leitkultur") und andererseits für die Identitätsfindung des einzelnen (also für das Individuum... siehe z.B. die Aktion "DU bist Deutschland").

Wenn ich es recht sehe, sind es vor allem jüngere Leute (ausschließlich Männer, oder?!), die sich hier als Verteidiger des Deutschnationalen positioniert haben; und immer wieder explizit betonten, sie meinten das ganz gewiss nicht irgendwie "braun" oder auch nur "nationalistisch". Nun, lassen wir einmal dahingestellt, ab welcher Kummulation des Begriffes Nation, Nation, Nation, Nation, Nation, Nation etc etc (Österreich gehört zur deutschen Nation, das Elsass gehört zur deutschen Nation, Süddtirol gehört zur deutschen Nation, der nichttdeutsche Anteil am Österreichischen ist "marginal" usw usf) es gerechtfertigt ist, sowas tatsächlich Nationalismus zu nennen.
Was ist euer Deutschtum? Wie drückt sich das aus? Ich möchte ausdrücklich betonen, dass ich mit dieser Frage NICHT irgendeine Art von Rechtfertigungs-Druck ausüben möchte - das wäre im anonymen Kontext eines solchen Forum ohnehin absurd. Es würde mich nur halt interessieren, ob dieses ganze auf unzähligen Seiten (z.T. extrem redundant!) betriebene historische Hin und Her in irgend einer Weise einen Erkenntnisgewinn für die Gegenwart bringt.

Dass das (nicht nur Deutsch-)Nationale aus offensichtlichen Gründen diskreditiert ist, ist nicht die Schuld der Jungen. Bloß: auch jungen Menschen ist es zumutbar zur Kenntnis zu nehmen, dass im Namen der Nation jahrhundertelang bereits derart viel Blut vergossen wurde, dass viele heute eben sagen: so, das reicht jetzt, dieses Konzept taugt nicht mehr, Schluss damit - und im Jahre 2008 also zurecht reserviert darauf reagieren, wenn zum x-ten Mal irgendjemand daher kommt und sagt: Nation ist eigentlich schon was ganz Tolles und da brauchen wir echt mehr davon, he, seid doch nicht so zickig, was habt's n ihr eigentlich usw.
Dass wir mittlerweile in einem postheroischen Zeitalter angekommen sind, in dem junge Männer es nicht mehr gar so geil finden, für ihr Vaterland in den Krieg zu ziehen, seht ja auch ihr, wenn ich eure Wortmeldung betrachte, selbstverständlich als einen Fortschritt an. (Ob das im gleichen Ausmaß z.B. für die USA gilt?) Die "Nation" ist natürlich ein heroischer Begriff, eine "große Idee" - auch wenn damit nicht gleich kriegerischer National-ismus gemeint ist. Die "Nation" verschafft dem Bürger ein warmes Gefühl (gefährlich wird es spätestens dann, wenn aus dieser Wärme Hitze wird), indem sie ihm suggeriert (oder, im Nationalsozialismus, sogar aufzwingt), es gebe so etwas wie eine "natürliche", "organische" Volksgemeinschaft, in der Reiche und Arme, Gebildete und Ungebildete, Männer und Frauen, Alte und Junge, Ärzte und Straßenkehrer gar nicht sooooo viel unterscheidet.

Ach wie kalt ist im Vergleich dazu der Begriff des Verfassungspatiotismus (zit.n. Meyers Lexikon):
V e r f a s s u n g s p a t r i o t i s m u s , von D. Sternberger in den 1970er-Jahren geprägter Begriff für die Idee, die Vaterlandsliebe (Patriotismus) um ein rationales Moment zu ergänzen und auf eine verfassungsgebundene demokratische Grundlage zu stellen; der Verfassungspatriotismus schließt eine kritische Reflexion über die gesellschaftlichen Zustände eines Landes nicht aus. Das Konzept sollte vor dem Hintergrund des Missbrauchs affektiver Begriffe wie Vaterland und Heimat durch den Nationalsozialismus einerseits und der Teilung der deutschen Nation andererseits die Bildung einer durch das Grundgesetz normierten, zivilgesellschaftlich geprägten politischen Identität der Bundesrepublik Deutschland sowohl beschreiben als auch begründen.
(http://lexikon.meyers.de/meyers/Verfassungspatriotismus)

Diejenigen von euch, die älter sind als ich (geb. 1970), verbinden mit diesem Begriff wahrscheinlich mehr als ich, da er in den 70er und 80er Jahren virulenter war als heute; einen Wikipedia-Eintrag gibt es natürlich auch:

Verfassungspatriotismus baut auf einem republikanischem Nationsverständnis auf. Dieses geht davon aus, dass die Nation eine durch gemeinsamen Willen und eine gemeinsame Geschichte zusammengehaltene Gemeinschaft von Menschen sei. Diese sehen sich untereinander als frei und gleich an. (...) Eine solche Staatsbürgernation ist durch die „Praxis von Bürgern“ und nicht durch ethnisch-kulturelle Gemeinsamkeiten zusammengehalten. (...)
Unter Verfassungspatriotismus versteht man die Identifikation des Bürgers mit den Grundwerten, Institutionen und Verfahren der republikanischen politischen Grundordnung und Verfassung und die aktive Staatsbürgerrolle des Bürgers. Das Sich-Einbringen in das politische Geschehen steht nach der Nationsauffassungs an zentraler Stelle bei diesem Konzept. Dies bedeutet in der Praxis zumindest ein Interesse für politische Fragen und geht über Wählen bis zu aktiver Politikgestaltung, z. B. in Form von Bürgerinitiativen oder Parteien.

In einer solchen Nation wird von den Verfechtern des Verfassungspatriotismus eine zweckrationale Haltung gegenüber politischen Fragen im Rahmen eines rationalen Diskurses gefordert. Mit der politischen Grundordnung soll eine rationale Identifikation vorhanden sein. Eine affektive Identifikation ist zusätzlich möglich. Eine bedingungslose Akzeptanz des Staates, der Verfassung und etwaiger Änderungen daran ist mit Verfassungspatriotismus gerade nicht gemeint, beschreibt er doch primär ein Bekenntnis zu den universellen Grundwerten der Nation und erst sekundär eine Identifikation mit dem Staat und der Verfassung, die diese Normen widerspiegeln. In der republikanischen Staatsauffassung wird die politische Gemeinschaft schließlich nicht als Selbstzweck aus der Nation heraus, sondern als notwendiger Bezugsrahmen für freie und gleiche Bürger gesehen. (...)

Verfassungspatriotismus wird gerne wegen seiner „Erlebnisarmut“ kritisiert. Die geforderte zweckrationale Haltung gegenüber politischen Fragen schaffe es nicht Gefühle der Bürger anzusprechen. Eine gefühlsmäßige Bindung zur Nation sei jedoch nötig zur Bildung einer aktiven Gemeinschaft. (...) Der fehlende Bezug zum Volk ist von Verfassungspatrioten gerade erwünscht, gehen sie doch von einer Freiheit und Gleichheit aller Menschen aus. Eine Nation konstituiert sich ihrer Ansicht nach nicht über Abstammung, sondern über Wille und Geschichte. Die Kategorie Volk spielt hierbei keine Bedeutung. (...)

Der ganze Artikel unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Verfassungspatriotismus

Wie ist das also? Taugen ethnische (früher hätte man gesagt: völkische... oder gar: rassische) Kriterien noch irgendetwas, um uns etwas über "die Deutschen" - seien es die in der BRD oder die deutschsprechenden Österreicher - zu sagen? (Polemisch formuliert: Wenn die deutsche Fußballnationalmannschaft bei der EM nur mit Spielern antreten dürfte, die eine Art "Ariernachweis" erbracht haben, würden die Chancen auf einen Erfolg wohl rapide sinken.)
Und wenn wir von eingebürgerten Türken und Jugoslawen verlangen, dass sie sich integrieren sollen - kommen wir dann mit einem (gewissermaßen bildungsbürgerlichen) Wissensquiz a la Roland Koch, wie es hier (eh zu parodistischen Zwecken) schon erwähnt wurde, irgendwie weiter?
Inwieweit sind jene historischen Ereignisse von den Römern bis zu den Napoleonischen Kriegen, zu denen sich manche zurückargumentiert haben, für junge Menschen heute noch IRGENDWIE identitätsstiftend? Meine Vermutung: ein heute lebender 20/30/40jähriger Österreicher hat mit einem heute lebenden 20/30/40jährigen Franzosen mehr gemein als mit einem 20/30/40jähriger Österreicher, der im 19. Jahrhundert oder noch früher gelebt hat.
Was ist das spezifisch Deutsche an der Deutschen Nation?

Fragen über Fragen. Ich breche an dieser Stelle ab, um den Eintrag nicht noch länger zu machen und hoffe, dass der eine oder andere Gedanke aufgegriffen - und vielleicht sogar die eine oder andere aufgeworfene Frage beantwortet wird.

Grüße,
Roman

P.S.: Liebe Politikwissenschaftler, sorry für die aus eurer Sicht gewiss schlampige Terminologie, insbesondere den bisweilen durchscheinenden Vulgärmarxismus - ich bin halt nicht vom Fach. ;-)

P.P.S.: Als ein Österreicher, der beruflich viel in Deutschland zu tun hat und viele deutsche Freunde und Bekannte hat, ist mir die Deutschenfeindlichkeit ("Scheiß-Piefke!") vieler meiner Landsleute reichlich peinlich. Trotzdem habe ich selbst mich noch nie in meinem Leben als Angehöriger einer "deutschen Nation" gefühlt.
 
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AW: German Blues, oder: Whatever happend to my good ol' Verfassungspatriotismus???

Nachdem ich die verschiedenen Threads zur "Deutschen Nation" gerafft gelesen hatte (übrigens eine augenfällige, dennoch häufige Fehlleistung, von einem "Threat" zu sprechen!!!), fragte ich mich unwillkürlich: Was soll das denn?!
Dieses "Was soll das?" lässt sich zu einer konkreteren Frage umformulieren, die dem ganzen womöglich doch etwas Produktives abgewinnen kann, nämlich: Welche FUNKTION kann denn das Konstrukt "Nationalität", wie es hier zur Diskussion gestellt wurde, im 21. Jahrhundert noch haben? Und zwar einerseits im Kontext diverser gesellschaftlicher Diskurse (also für das Kollektiv, die Demokratie, den Staat... siehe z.B.: "Leitkultur") und andererseits für die Identitätsfindung des einzelnen (also für das Individuum... siehe z.B. die Aktion "DU bist Deutschland").

Wenn ich es recht sehe, sind es vor allem jüngere Leute (ausschließlich Männer, oder?!), die sich hier als Verteidiger des Deutschnationalen positioniert haben; und immer wieder explizit betonten, sie meinten das ganz gewiss nicht irgendwie "braun" oder auch nur "nationalistisch". Nun, lassen wir einmal dahingestellt, ab welcher Kummulation des Begriffes Nation, Nation, Nation, Nation, Nation, Nation etc etc (Österreich gehört zur deutschen Nation, das Elsass gehört zur deutschen Nation, Süddtirol gehört zur deutschen Nation, der nichttdeutsche Anteil am Österreichischen ist "marginal" usw usf) es gerechtfertigt ist, sowas tatsächlich Nationalismus zu nennen.
Was ist euer Deutschtum? Wie drückt sich das aus? Ich möchte ausdrücklich betonen, dass ich mit dieser Frage NICHT irgendeine Art von Rechtfertigungs-Druck ausüben möchte - das wäre im anonymen Kontext eines solchen Forum ohnehin absurd. Es würde mich nur halt interessieren, ob dieses ganze auf unzähligen Seiten (z.T. extrem redundant!) betriebene historische Hin und Her in irgend einer Weise einen Erkenntnisgewinn für die Gegenwart bringt.

Dass das (nicht nur Deutsch-)Nationale aus offensichtlichen Gründen diskreditiert ist, ist nicht die Schuld der Jungen. Bloß: auch jungen Menschen ist es zumutbar zur Kenntnis zu nehmen, dass im Namen der Nation jahrhundertelang bereits derart viel Blut vergossen wurde, dass viele heute eben sagen: so, das reicht jetzt, dieses Konzept taugt nicht mehr, Schluss damit - und im Jahre 2008 also zurecht reserviert darauf reagieren, wenn zum x-ten Mal irgendjemand daher kommt und sagt: Nation ist eigentlich schon was ganz Tolles und da brauchen wir echt mehr davon, he, seid doch nicht so zickig, was habt's n ihr eigentlich usw.
Dass wir mittlerweile in einem postheroischen Zeitalter angekommen sind, in dem junge Männer es nicht mehr gar so geil finden, für ihr Vaterland in den Krieg zu ziehen, seht ja auch ihr, wenn ich eure Wortmeldung betrachte, selbstverständlich als einen Fortschritt an. (Ob das im gleichen Ausmaß z.B. für die USA gilt?) Die "Nation" ist natürlich ein heroischer Begriff, eine "große Idee" - auch wenn damit nicht gleich kriegerischer National-ismus gemeint ist. Die "Nation" verschafft dem Bürger ein warmes Gefühl (gefährlich wird es spätestens dann, wenn aus dieser Wärme Hitze wird), indem sie ihm suggeriert (oder, im Nationalsozialismus, sogar aufzwingt), es gebe so etwas wie eine "natürliche", "organische" Volksgemeinschaft, in der Reiche und Arme, Gebildete und Ungebildete, Männer und Frauen, Alte und Junge, Ärzte und Straßenkehrer gar nicht sooooo viel unterscheidet.

Ach wie kalt ist im Vergleich dazu der Begriff des Verfassungspatiotismus (zit.n. Meyers Lexikon):


Diejenigen von euch, die älter sind als ich (geb. 1970), verbinden mit diesem Begriff wahrscheinlich mehr als ich, da er in den 70er und 80er Jahren virulenter war als heute; einen Wikipedia-Eintrag gibt es natürlich auch:



Der ganze Artikel unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Verfassungspatriotismus

Wie ist das also? Taugen ethnische (früher hätte man gesagt: völkische... oder gar: rassische) Kriterien noch irgendetwas, um uns etwas über "die Deutschen" - seien es die in der BRD oder die deutschsprechenden Österreicher - zu sagen? (Polemisch formuliert: Wenn die deutsche Fußballnationalmannschaft bei der EM nur mit Spielern antreten dürfte, die eine Art "Ariernachweis" erbracht haben, würden die Chancen auf einen Erfolg wohl rapide sinken.)
Und wenn wir von eingebürgerten Türken und Jugoslawen verlangen, dass sie sich integrieren sollen - kommen wir dann mit einem (gewissermaßen bildungsbürgerlichen) Wissensquiz a la Roland Koch, wie es hier (eh zu parodistischen Zwecken) schon erwähnt wurde, irgendwie weiter?
Inwieweit sind jene historischen Ereignisse von den Römern bis zu den Napoleonischen Kriegen, zu denen sich manche zurückargumentiert haben, für junge Menschen heute noch IRGENDWIE identitätsstiftend? Meine Vermutung: ein heute lebender 20/30/40jähriger Österreicher hat mit einem heute lebenden 20/30/40jährigen Franzosen mehr gemein als mit einem 20/30/40jähriger Österreicher, der im 19. Jahrhundert oder noch früher gelebt hat.
Was ist das spezifisch Deutsche an der Deutschen Nation?

Fragen über Fragen. Ich breche an dieser Stelle ab, um den Eintrag nicht noch länger zu machen und hoffe, dass der eine oder andere Gedanke aufgegriffen - und vielleicht sogar die eine oder andere aufgeworfene Frage beantwortet wird.

Grüße,
Roman

P.S.: Liebe Politikwissenschaftler, sorry für die aus eurer Sicht gewiss schlampige Terminologie, insbesondere den bisweilen durchscheinenden Vulgärmarxismus - ich bin halt nicht vom Fach. ;-)

P.P.S.: Als ein Österreicher, der beruflich viel in Deutschland zu tun hat und viele deutsche Freunde und Bekannte hat, ist mir die Deutschenfeindlichkeit ("Scheiß-Piefke!") vieler meiner Landsleute reichlich peinlich. Trotzdem habe ich selbst mich noch nie in meinem Leben als Angehöriger einer "deutschen Nation" gefühlt.

Hallo Roman,
lass mich Dir für diesen herzerfrischenden, fundierten Artikel herzlich danken! :blume1:

Besonders, an die Definition eines Verafssungspatriotismus und einer Bürgergesellschaft zu erinnern, ist hier ganz besonders verdienstvoll.

Lass mich nur möglichst kurz Deine Hauptfrage beantworten, was mir mein "Deutschsein" ist.

Das ist zunächst deshalb schwierig, weil ich aus der DDR in die BRD als Konkursmasse eingebracht wurde. :)
Damals war ich 32. Also habe ich zwei "Deutschtümer" zu verarbeiten.
Ich bin vor allem geistig geprägt worden durch die großen (meist pazifistischen) deutschen Schriftsteller und Satiriker/Polemiker der 20er Jahre.
Hier hat vor allem Kurt Tucholsky die stärksten Prägungen hervorgerufen, klar daher, dass ich dem Nationalen misstrauisch bis ablehnend gegenüberstehe.

Heutzutage fühle ich mich hauptsächlich als "Stadt-Europäer" (was immer das genau heißen mag - aber es geht ja um ein Gefühl).
Diese Definition ist von mir und heißt für mich konkret:
Es ist mir deutlich wichtiger, nicht auf dem Land oder gar in der Wildnis zu leben, als in Deutschland.
Ich könnte mir gut vorstellen, in Dänemark, Schweden, Spanien (diese wären meine Favoriten) in einer angenehmen mittelgroßen Stadt zu leben. Ich würde überall das finden, was ich brauche: Erlebnismöglichkeiten, aufgeschlossene Leute, Atmosphäre...

Nirgends (auch nicht in D!) möchte ich auf dem Dorf leben (aus eigener Erfahrung: Orte der Enge, der Topfguckerei, Tuschelei, Bigotterie...).

Roman, Du merkst, zu Deutschtum fällt mir bisher nur wenig ein.
Drei Dinge würde ich vielleicht in D bevorzugen:

* Das wunderbar vielfältige Brot- Wurst- und Bierangebot :),
* Die vergleichsweise sehr hohe Rechtssicherheit,
* Die hervorragende Qualität der Infrastruktur und Handwerkerarbeit.

Aber das sind Dinge, die ja nicht den Rang haben, nationale Gefühle hervorzurufen.

LG, pispezi :zauberer2
 
AW: German Blues, oder: Whatever happend to my good ol' Verfassungspatriotismus???

Hallo Pispezi,

nach meinem relativ langen Eröffnungs-Text möchte ich mich vorerst eher kurz halten, aber: mir geht's genau wie dir, auch ich bin ein "typischer" Stadtmensch. Die Frage nach dem Deutschtum war natürlich eher an diejenigen gerichtet, die sich zu einem solchen in den einschlägigen Threads emphatisch bekannt haben.
Im übrigen glaube ich, dass Heimatgefühle sowieso eher an eine Region als an eine Nation geknüpft sind...

Grüße,
Roman
 
AW: German Blues, oder: Whatever happend to my good ol' Verfassungspatriotismus???

Zitat von Roman:
Wenn ich es recht sehe, sind es vor allem jüngere Leute (ausschließlich Männer, oder?!), die sich hier als Verteidiger des Deutschnationalen positioniert haben; und immer wieder explizit betonten, sie meinten das ganz gewiss nicht irgendwie "braun" oder auch nur "nationalistisch". Nun, lassen wir einmal dahingestellt, ab welcher Kummulation des Begriffes Nation, Nation, Nation, Nation, Nation, Nation etc etc (Österreich gehört zur deutschen Nation, das Elsass gehört zur deutschen Nation, Süddtirol gehört zur deutschen Nation, der nichttdeutsche Anteil am Österreichischen ist "marginal" usw usf) es gerechtfertigt ist, sowas tatsächlich Nationalismus zu nennen.
Was ist euer Deutschtum? Wie drückt sich das aus? Ich möchte ausdrücklich betonen, dass ich mit dieser Frage NICHT irgendeine Art von Rechtfertigungs-Druck ausüben möchte - das wäre im anonymen Kontext eines solchen Forum ohnehin absurd. Es würde mich nur halt interessieren, ob dieses ganze auf unzähligen Seiten (z.T. extrem redundant!) betriebene historische Hin und Her in irgend einer Weise einen Erkenntnisgewinn für die Gegenwart bringt.



Nichts für ungut, aber jemanden, der den Begriff "Nationalität" in den Mund nimmt, nur deswegen als Deutschnationalen zu bezeichnen ist eine ordentliche Milchmädchenrechnung.

Ich bin kein Verteidiger des Deutsch-Nationalen, solltest du mir das unterstellen wollen, kann ich dir nur raten:

Schau dir einen Großteil meiner Beiträge der letzten drei Jahre an, dann wirst du verstehen worum es mir geht:

Ich bin gegen rechts. Das Problem ist nur, dass die Diskussion in Deutschland vollkommen ideologisch geführt wird.

Siehe beispielsweise die NPD-Verbots-Diskussion: Verbote statt Argumente.

Und genauso werden Themen und Begriffe tabuisiert. Ich halte das für eine gefährliche Idiotie, weil es dadurch den Rechten ermöglicht wird, sich Themen anzunehmen ohne dass es einen demokratischen Gegenstandpunkt gibt, weil die Demokraten um solche Themen einen großen Bogen machen und keine Ahnung haben.

Wenn wir uns nicht eine gewisse Lockerheit (im Sinne von Souveränität) angewöhnen, werden die Faschos irgendwann den Sieg davontragen.

Meine Meinung.

MfG,
Sunnyboy

PS: Du hast natürlich Recht, es heißt Thread nicht Threat. Das ist in der Tat peinlich für jemanden, der Englisch-LK hatte. Ich schäme mich. :haare:

Es liegt daran, dass man mal "Thread", mal "Threat" liest, wenn man sich in verschiedenen Foren umsieht.
Ich umgehe das meistens mit dem Wort "Thema", was dann allerdings internetvokabularmäßig nicht richtig ist.
 
AW: German Blues, oder: Whatever happend to my good ol' Verfassungspatriotismus???

Nachtrag:

Um Patriotismus geht es mir gar nicht. Glaub es oder nicht.

Ich liebe allerdings tatsächlich meine Heimat. Nicht weil sie Deutsch ist, und es nichts schöneres gibt, sondern weil es der Ort ist, an dem meine Wurzeln sind.

Jeder Mensch sollte seine Heimat lieben, denke ich. Und Heimatliebe heißt für mich auch, sich um Themen wie Umweltschutz, Demokratie und Toleranz zu bemühen.

Für mich schließt Heimatliebe daher schon von sich aus eine kritische Reflexion mit ein.

Denn Nationalismus und Extremismus gefährden das Gefüge und das Zusammenleben in dieser meiner Heimat.

Meine Heimatliebe drückt sich darin aus, dass ich mich geborgen fühle, dass die Leute, die hier leben "meine" Leute sind. Egal woher sie kommen.

Meiner Meinung nach deckt sich das an vielen Stellen mit dem Verfassungspatriotismus.
Und dass ich hier schreibe, und mich hier zum (nationalistisch-chauvinistischen) Hans-Wurst abstempeln lasse, von Leuten, die nicht verstehen (wollen/können?) dass es mir ums genaue Gegenteil von Nationalismus/Rechtsextremismus geht, ist das nicht ein kleiner Ansatz des "sich Einbringen in das politische Geschehen", welches im Zentrum des von dir vertretenen Konzeptes steht?


Das ist aber ein anderes Thema. Der Begriff "Nation" ist festgelegt- an DIESER Stelle sei einmal dahingestellt wie.

Und dein und mein Befinden ist für diese Definition vollkommen irrelevant.
Und darum geht es mir einzig und allein: ich möchte aus den oben genannten Gründen erreichen, dass wieder sachlich mit diesem Thema umgegangen wird. Dies geschieht, meiner Ansicht nach, in unserer Gesellschaft NICHT.

Nochmal MfG,
Sunnyboy
 
AW: German Blues, oder: Whatever happend to my good ol' Verfassungspatriotismus???

Wie von mir bereits an anderer Stelle angedeutet: wir leben heute nicht mehr auf lauter kleinen autarken Inseln. Ich kann in Mallorca bayrischen Schweinsbraten bekommen und in London Erdinger Weissbier bestellen. Heutzutage kann man sich aussuchen wo man lebt. Das mögen zwar nicht alle können, aber bereits die Tatsache, dass einige es können (im letzten Jahr haben 150.000 Menschen Deutschland verlassen) reicht um uns vor Augen zuführen, dass die Welt kleiner geworden ist und weiter "schrumpft".

Damit einher geht der Verlust von Nationalitäten. Daher schrieb ich auch, dass das Nachdenken über das Thema "Nationalität" bereits rückständig ist.

Ich bin ein Erdenbürger. Wäre ich nicht aufgrund von Gesetzen zu einer anderen Aussage gezwungen würde ich auf die Frage nach meiner Nationalität antworten: Erde, Milchstrasse.

Übrigens lohnt auch hier ein Blick in Länder wie die USA oder Israel. Die Bürger dieser Länder kommen von überall her. Eine amerikanische Nationalität gibt es im Grunde nicht, genauso wenig wie eine israelische. Die Menschen dort werden auf andere Weise "Zusammengehalten", z.b. durch eine gemeinsame Vorstellung von Freiheit. Ein Umdenken in diese Richtung hierzulande und in diesem Forum wäre mehr als nötig.

Diese ganze Fragestellung ist meiner Meinung nach so uninteressant wie nur irgendwas. Welche Rolle spielt das für uns noch? Welche Rolle wird es bei unseren Kindern spielen?
 
AW: German Blues, oder: Whatever happend to my good ol' Verfassungspatriotismus???

Zitat von xcrypto:
Diese ganze Fragestellung ist meiner Meinung nach so uninteressant wie nur irgendwas. Welche Rolle spielt das für uns noch? Welche Rolle wird es bei unseren Kindern spielen?

Sollte es uns gelingen, rechtsextremistische Propaganda, Volksverhetzung und Nationalismus, zu besiegen, hoffe ich auch, dass es noch weniger eine Rolle im täglichen Zusammenleben spielt als heute.

Solange es aber Rechtsextreme etc. gibt wünsche ich mir, dass unsere Gesellschaft in der Lage ist, die Diskussion sachlich zu führen. Dazu muss man die Begriffe kennen.

Kennen und Einsortieren können: Es sind wissenschaftliche Definitionen. Nichts weiter. Keine Vorschriften für die Lebensgestaltung. Keine Grenze dafür, mit wem man Umgang haben darf. Keine Lebensphilosophie.
Einfach nur Definitionen.

Wandelbare Definitionen übrigens. Das bestimmt die Wissenschaft. Ich gehe davon aus, dass eines Tages die Bezeichnung "Deutsch" ebenso der Vergangenheit angehören wird wie "Französisch" etc.

Vielleicht übernehmen ja eines Tages die Klingonen aus Star-Trek die Weltherrschaft. Und plötzlich stehst du, xcrypto, mit deiner Ansicht als Milchstraßen-Nationalist da. :)



@ Roman70
Ich hoffe mein Ton dir gegenüber kommt bei dir nicht als zu schroff rüber. Der Begriff "Milchmädchenrechnung" könnte dazu beitragen, so ist es nicht gemeint.

Generell:
Ich habe nur eine Bitte: Seid vorsichtig, wenn ihr Leuten Nationalismus vorwerft. Abgesehen von den obigen Gründen ist es, wenn es denn unzutreffend ist, eine Beleidigung und es schüchtert Menschen auch unter Umständen ein, ihre Meinung zu sagen und zu diskutieren.

Das schafft eine Atmosphäre, in der die Demokratie es schwer hat, denn die Demokratie lebt von der, oft kontroversen, Diskussion .

[Ich bin mir über die Bedeutung des Begriffes Nationalismus übrigens im Klaren. Sowohl in seiner ursprünglichen wie auch in seiner heutigen Form (Nationalismus als Überhöhung des Staates.) Doch weder das erste noch das zweite treffen auf mich oder andere denen es hier vorgeworfen wird zu:
Die Feststellung, dass Österreicher und Deutsche gemeinsame kulturelle und sprachliche Wurzeln haben ist kein Nationalismus. Auch nicht, wenn man in diesem Sinne von einer gemeinsamen Nation spricht. Ob richtig oder nicht sei dahingestellt, ich habe keine Lust das jetzt noch einmal zu diskutieren, es sein denn jemand kann es vernünftig belegen. Nationalismus wird es dann, wenn sich politische Folgerungen oder gar Forderungen daraus ergeben. Und das ist bei niemandem hier ,in letzter Zeit zumindest, darüber hinaus weiß ich es nicht, geschehen
]

Im übrigen: Wer heute an Deutsch-National denkt, der hat sofort ein klares Bild. Und in den Reihen dieser werten Damen und Herren möchte sich jeder hier, so glaube ich, nur sehr ungern wiederfinden.

Wenn jemand Unsinn erzählt, stellt es richtig. Es mag sein, dass es Menschen gibt, die nicht diskutieren können, das stellt man dann fest.

So...Sorry für den Oberlehrer-Ton :)

MfG,
Sunnyboy
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: German Blues, oder: Whatever happened to my good ol' Verfassungspatriotismus???

Hallo Sunnyboy,

nichts von dem, was du geschrieben hast, hat mich persönlich irgendwie beleidigt, insofern - kein Problem. :)

Also, ich finde es durchaus naheliegend, Menschen, die wie du die Ideologie einer deutschen Nation verbreiten (und nochmal: diese Konzepte von der "Nation" SIND Ideologien - Nationen wachsen nicht auf Bäumen, sind nichts einfach so mal da seiendes "Natürliches"), Deutschnationale zu nennen. Dass das einen Beigeschmack hat, ist von mir natürlich durchaus beabsichtigt. Selbstverständlich kannst du es zu deinem Privatvergnügen machen, dir dein eigenes kleines Konzept von der Deutschen Nation zurechtzulegen. Du musst nur aber eben zur Kenntnis nehmen, dass du im Jahre 2008 nicht der erste bist, der (mit einem knappen Wikipedia-Textchen unterm Arm) verkündet, die Deutschen müssten sich wieder stärker als eine stolze/selbstbewusste/wieauchimmer Nation definieren.

Um das konkret auf Österreich anzuwenden: da gibt es schon eine allbekannte Gruppierung, die der Meinung ist, Österreich sei "deutsch". Sie nennen sich: FPÖ. Jörg Haider hat Österreich deswegen einmal eine "ideologische Missgeburt" genannt. (Dass das Deutschnationale bei den Freiheitlichen in den letzten Jahren nicht mehr eine so große Rolle spielt wie früher liegt weniger daran, dass sie sich in dieser Beziehung "geläutert" haben, sondern dass die alten Nazis (=Wähler), die das so gerne hörten, immer weniger werden; natürlich ist der Österreich-Nationalismus um nichts besser als der Deutsch-Nationalismus.) Sozialdemokraten definieren Österreich nicht als Deutsche Nation. Linksliberale/Grüne definieren Österreich nicht als Deutsche Nation. Die Volkspartei (Konservative) definiert Österreich nicht als Deutsche Nation. Nur die FPÖ meint(e?) das. Sind die anderen in deinen Augen alle blöd, verbohrt, Trottel?

Und falls du in der deutschen Parteienlandschaft niemanden findest, der das Elsass oder Luxemburg als Teil der Deutschen Nation versteht (ich habe zumindest noch nichts in die Richtung gehört, bin aber kein Experte in solchen Volkstums-Fragen), kannst du auch das nicht einfach mit Political Correctness oder sowas abtun. Was soll eigentlich das ganze Gerede von "Tabuisierung"? Ich habe ja gerade in meinem Eröffnungs-Beitrag ausdrücklich gefragt, was denn nun das explizit Deutsch-Nationale (= das die Deutsche Nation Ausmachende, sie von anderen Nationen Unterscheidende) IST. Und ich betone ausdrücklich: Das war nicht als "Fangfrage" gemeint. Um mal schnell ein paar Sachen anzutippen:

Deutsche (Hoch-)Kultur: der Bildungsbürger las als "guter Deutscher" (nicht negativ gemeint) Schiller, Goethe, Thomas Mann u.ä., ging regelmäßig ins Theater und Konzert; auch heutzutage sind anspruchsvolle, geschweige denn "klassische" Literatur und Klassische Musik vor allem Eliten-Medien (für Akademiker).
Alltags- und Populärkultur: ist weitgehend US-amerikanisch dominiert. Volkstümliche Musik ("Musikantenstadl" u.ä.) ist zwar populär, hat aber mehr mit Schlagermusik zu tun als mit tatsächlicher Volksmusik, die eher ein Nischendasein fristet. Deutscher Hiphop ist ein Abklatsch von US-Hiphop. Harald Schmidt? Weitgehend von Letterman und Leno abkopiert. "Germany's Next Top Model?" Ähem...
Die deutsche Küche: ist auf dem deutschen Mittagstisch nicht häufiger zu finden als Big Mac, Pizza, Kebab, Suflaki, Sushi.
Deutsche Politik: hmmm - ist die im Zeitalter der Globalisierung (Stichwort: Rückzug des Staates, Durchökonomisierung aller Lebensbereiche) konzeptionell soooooooo signifikant anders als österreichische, belgische oder dänische Politik? (Das Schweizerische Modell mit einer Konzentrationsregierung und zahllosen Volksabstimmungen, DAS ist wirklich ein Unikat.) Deutsche Politik geht doch heute weitgehend auf in europäischer Politik, oder? Und über die Debatte ums Dosenpfand wird man sich als Deutscher wohl nicht definieren können. Oder doch? Deutsche Gründlichkeit und Bürokratie bis ins letzte oder so... oder ist sowas nicht eher ein (dummes) Klischee?
Geschichtsbewusstsein: Bismarck? Königgrätz? Friedrich und Voltaire? Verdun? War da was? Bitte morgen mal eine kleine spontane Umfrage in deiner Straße machen, was die Durchschnittsbürger damit heutzutage anzufangen wissen.

Nach diesen Dingen zu fragen, ist doch gerade eine Versachlichung der Diskussion, die du, wie du sehr betonst, herbeisehnst. Na bitte, hier hast du sachliche Fragen, was Deutschtum denn nun ist.

Meine Heimatliebe drückt sich darin aus, dass ich mich geborgen fühle, dass die Leute, die hier leben "meine" Leute sind. Egal woher sie kommen.

Ich nehme an, mit dem letzten Satz sind türkischstämmige Deutsche und andere Migranten gemeint. Und genau da wird es im tatsächlichen ("realen") politischen Diskurs eben heikel; denn wenn man die gemeinsame Geschichte und Tradition eines Landes sowie das ethnische/völkische Gepräge eines Landes als grundlegend für die Nation ansieht (und eine solche Definition hast du benutzt), sind Deutschtürken eben eindeutig NICHT "meine" Leute - auch wenn du sie, in deinem sympathischen kleinen Privatkonzept der Nation, dann halt doch irgenwie da hineinpackst.

Für mich ist das ganz zentral: es GIBT eben bereits jede Menge Leute, die uns tagaus tagein was von der Deutschen Nation und wie wichtig sie ist usw erzählen; und die stellen das Trennende eben über das Gemeinsame und fangen dann an aufzurechnen: vor 100/200/300 Jahren habt ihr Franzosen/Russen/Dänen uns heimtückisch/brutal/rücksichtslos dieses und jenes Stück Land weggenommen... Hmmmm, kommt mir doch irgendwie bekannt vor, war da nicht neulich in diesem Forum genau sowas immer und immer wieder zu lesen? "Das ist meins!" "Nein, das ist meins!" "Ich war aber vorher da!" "Von wegen, ich war noch viel früher da!" usw usf

Was auf jeden Fall festgelegt ist, ist dass sich die eine Nation abgrenzt von einer anderen Nation (alles andere wäre ja auch absurd) - ich hätte halt gerne mal eine konkretere Antwort drauf gehabt, was denn nun dieses Deutsche überhaupt sei, wenn in diesen diversen Threads permanent von deutsch deutsch deutsch deutsch deutsch deutsch deutsch deutsch ad infinitum die Rede ist. Darauf im 21. Jahrhundert eine sinnvolle Antwort zu geben, ist offensichtlich ziemlich schwierig - was ja gerade mein Punkt ist. Und wenn man halt nicht so genau sagen kann, was denn nun das Deutsche ist, ja verdammt nochmal, warum ist es dann so wichtig, warum soll ich mich damit beschäftigen? In meinem ersten Beitrag habe ich ja beiläufig das Wort "Leitkultur" benutzt - eine einschlägige Debatte (meist im Zusammenhang mit Ausländerintegration) wird ja periodisch in Gang gesetzt und versandet dann stets relativ schnell wieder.

Als Österreicher in Deutschland empfinde ich übrigens die Unterschiede zwischen Deutschland und Österreich als durchaus gar nicht so gering - aber uuups, das sind ja angeblich nicht einmal zwei verschiedene Nationen.

Meine (unoriginelle) Grundthese ist diese: die Unterschiede INNERHALB einer Nation (Wohlstand, Bildung etc... Geschlecht und Alter sowieso) sind größer als die Unterschiede ZWISCHEN den Nationen. Und wenn wir über Hartz IV, Studiengebühren, Kindergartenplätze, Subventionen für experimentelle Kunst etc diskutieren, nutzt uns dieser ganze Nations-Diskurs, wie er hier geführt wird, überhaupt nix. Und deswegen finde ich Debatten über diese anderen Themen wichtiger als die darüber, ob Österreicher Deutsche sind. All das kann ich übrigens "ganz entspannt" sagen, ohne die "Auschwitz-Keule" rauszuholen oder jemanden wie dich als Nazi zu beschimpfen - weil ich dich für keinen halte. Aber Deutschnational - diese Vokabel finde ich nicht weit hergeholt. Ich lasse mich jedoch gerne zu einer Revision meines ohnehin sehr vagen Bildes von dir inspirieren, wenn ich endlich mal erfahre/erführe, was du unter "Deutsch sein" eigentlich verstehst.

Grüße,
Roman

P.S.: Was ein NPD-Verbot angeht, so bin auch ich eher skeptisch, inwieweit das was bringt - vor allem aus pragmatischen Gründen. Aber inwieweit "Lockerheit" ein Konzept gegen diese Leute ist ("Kuck mal dort, Faschos - wie ulkig!")...?
Was ich jedenfalls nicht vorhabe ist, mir von Neonazis irgendwelche Denk-Raster vorgeben zu lassen, worüber und wie ich über Politik denke/rede/schreibe. Auch du solltest das nicht. (Wenn du mir ausnahmsweise die Formulierung "du sollst" gestattest.)

P.P.S.: Wie es aussieht, übernehmen derzeit nicht die Klingonen, sondern die Ferengi die Weltherrschaft... :)
 
AW: German Blues, oder: Whatever happened to my good ol' Verfassungspatriotismus???

... Und wenn man halt nicht so genau sagen kann, was denn nun das Deutsche ist, ja verdammt nochmal, warum ist es dann so wichtig, warum soll ich mich damit beschäftigen? ...

Das ist eine wirklich gute Frage, warum solltest du dich damit beschäftigen?

Vielleicht fehlt dir einfach der Sinn, oder die Sensibilität dich in die Lage der Kinder eines von der ganzen Menschheit verurteilten ehemaligen Massenmörders hineinzuversetzen. Diese Kinder und Kindeskinder haben nämlich ein "klitzekleines" Problem mit ihren Wurzeln. Von dieser Sensibilisierung les ich hier kaum irgendwas. Aber ich les in anderen Themen von "stolzen" Österreichern, und das für diese eine Identifikation mit ihrer ( österreichischen) Nation, oder ihrem Land kein Problem darstellt.
Das muß man einem jungen Deutschen mal erklären, warum er solche Empfindungen tunlichst vermeiden soll, während andere Nationen damit kein Problem haben. Meinen etwas bescheidenen Geschichtskenntnissen nach stammt der größte Massenmörder aller Zeiten doch aus Österreich. Für mich ist das kein Thema und mir ist es egal wo der Schrecken her kam, doch "der Deutsche" ist in der großen weiten Welt "der große schwarze Mann", insbesonders wenn er heute bescheidene Versuche unternimmt eine Identität aufzubauen die anderen Nationen selbstverständlich sind. Doch es sind die Kinder des großen bösen schwarzen Mannes. Wo kam der doch gleich nochmal her? Aus Deutschland, denn die haben ihn erst zu dem gemacht. Was hat er denn aus seiner Heimat mitgebracht, wäre hier die erste Frage die mir in den Sinn kommt? Wie man sieht, ein wenig problematisch sich gewissen Fragen anzunähern.

Genau diese Sensibilisierung für die Herkunft des Gröfats ist hier denke ich für viele ein Problem. Mich wundert es nicht, wenn bei dieser Thematik der "schwarze Peter" hin und her geschoben wird. Aber ich glaube dies geschieht ganz zwangsläufig, wenn man anfängt sich gleich mit einer ganzen "Nation" und aller darin lebenden Menschen und deren Gesinnung zu identifizieren. Und das gilt für beide Lager, Deutsche wie Österreicher.

"Du bist Deutschland" war mal eine nicht ganz unumstrittenen Werbekampagne. Ich bin Deutschland, habe ich mich damals gefragt, ein ehemaliger Massenmörder im "Zwangsrehabilitationssozialdienst"? Bin ich jetzt der "Leibeigene" moralischer und ethischer Wertevorstellungen, ein Maggi der "besseren" oder "bösen" Menschen um ihre ideologischen Suppen zu würzen oder einfach nur ein geschichtlich für alle Zeiten moralisch und ethisch zwangsrekrutierter Großarschlochbesitzer?

Ein wenig Empathie für Kinder ehemaliger Massenmörder sollte man schon an den Tag legen, will man sich ein Urteil über unverstandenes "Deutschsuchtums" erlauben. Aber vielleicht haben sich die Zeiten der Sippenhaft ja noch nicht gänzlich verzogen und eine bedingungslose Kapitulation bezieht sich auf alle Ewigkeit und auf alle Versuche jemals irgendwann einer Menschheit anzugehören die sich ihre Weltvorstellung hauptsächlich auf das Verdrängen allen unangenehmen geschichtlichen Zusammenhänge aufbaut und die geschichliche Relevanz zur reinen Willkür erkoren hat und damit ganz gut klar zu kommen scheint.

Vielleicht sollte der vorbildliche Deutsche ja mal endlich einsehen, daß er das Böse in der welt verkörpert und sich am besten vor Scham, und sollte das nicht gelingen, als Zeichen seines guten Willens, selbst auslöschen. Begonnen hat er ja schon, wenn man die vielen Auswanderer oder die rückläufige Geburtenraten als Indizen werten will. Der Rest der guten Weltgesellschaft sollte doch bitte einfach nur etwas Geduld an den Tag legen bis der letzte das Licht ausgemacht hat.

Aber ich vergaß ja gänzlich die Rechten und ihre latente Bedrohung. Ich sehe hier keine, nur "mitgebrachte", also künstlich eingebrachte Vorwürfe.
Und weil sie dann mal irgendwann, von irgendwem thematisiert wurden schwirren sie jetzt hier durch die virtuelle Gegend.

Das erinnert mich an die zerkratzten Windschutzscheiben von Seattle:

Zitat:
"Gegen Ende der 50er Jahre brach in der Stadt Seattle eine merkwürdige Epidemie aus: Immer mehr Autobesitzer mussten feststellen, dass ihre Windschutzscheiben von kleinen pocken oder kraterähnlichen Kratzern übersäht waren. Das Phänomen nahm so rasch überhand, dass Präsident Eisenhower eine Gruppe von Sachverständigen der Bundesbehörde zur Aufklärung des Rätsels nach Seatle schickte. Man hatte zwei Theorien. Die erste war die sogenannte Fallout-Theorie. Die kürzlich abgehaltenen sowjetische Atomtest(*) hätten die Atmosphäre verseucht und der dadurch verursachte radioaktive Niederschlag hatte sich in Seattles feuchtem Klima in einen glasätzende Substanz verwandelt. Die andere Theorie, die der "Kommunistenfreunde" (Die USA waren damals geschockt, das die Sowjets auch ne Atombombe entwickeln konnte) besagte, dass das Gouverment verantwortlich war, da erst kürzlich das Strassennetz ausgebaut wurde, und man vermutete einen Fehler in der Beschaffenheit des Asphaltes. Jener Asphalt sollte wiederum mit dem besonders feuchten Seattle- Klima reagieren und so die Kratzer in das Glas ätzen.
Die Untersuchungskommision kam aber letztendlich zu folgendem: Es gab überhaupt keine Zunahme von beschädigten Windschutzscheiben. Es war zu einem Massenphänomen gekommen: Als sich die Berichte über die beschädigten Windschutzscheiben häufte, untersuchten immer mehr Autofahrer ihre Wagen. Die meisten taten dies, indem sie sich von aussen über die Scheibe beugten, anstatt wie normalerweise von innen aus der Fahreposition. In diesem Blickwinkel jedoch heben sich die Kratzer klarer ab, als sonst. Also war das was in Seattle passierte kein Phänomen der zerkratzten Windschutzscheiben, sondern ein Phänomen der angestarrten Windschutzscheiben." Zitatende.

Gute Argumente die auf die Ursachen hinweisen möchten, wie hier, werden einfach übergangen. Denn es gibt sie schließlich wirklich, die Rechten, die Frage ob denn nun hier, bei uns in den Foren, spielt dabei keine Rolle mehr. Man hat ja schließlich Beweise genug, daß es sie wirklich gibt.

Mit logischem Denken hat das nur noch am Rande zu tun.
 
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Um dein/mein Eingangs-Zitat zu kommentieren: ich habe mich in dieser Frage eingeschaltet, weil diese ganze Diskussion ja mehr oder weniger mit der Frage "Sind Österreicher Deutsche" losgetreten wurde, und dort nämlich sehr insistierend verkündet wurde, auch wenn viele Österreicher sich nicht zur "deutschen Nation" bekennen würden, gehörten sie ihr dennoch unzweifelhaft an, denn es gebe da eine Definition von Nation, die klipp und klar genau das besage. Ich wurde also gegen meinen Willen zum Deutschen gemacht und darf deshalb an diesem Spiel teilnehmen, ja?

Dass österreichischer (oder sonstein) Nationalismus mir genauso stinkt wie deutscher habe ich GANZ AUSDRÜCKLICH schon gesagt. Ich sehe mich also nicht in einem (antideutschen) österreichischen "Lager". Und ob Hitler in Österreich oder Deutschland geboren wurde, halte ich für jedwede Nazi-Debatte für wenig relevant, weil es ja sowieso weniger darum gehen sollte, welche Clique da in den Führungspositionen welche Gesetze beschlossen hat, sondern wieso so viele Menschen für diese Art von "Politik" so empfänglich waren. Falls bei der Reflexion über das Österreichische an Hitler dennoch irgendein interessanter Gedanke abspringt, werde ich den gerne zur Kenntnis nehmen und mich damit beschäftigen. Abgesehen davon gibt es von Baldur von Schirach über Ernst Kaltenbrunner und Amon Göth bis hin zu dem Mann, der die Familie Frank aus ihrem Amsterdamer Versteck geholt hat, derart viele in die Nazi-Greuel verwickelte Österreicher, dass sich heutzutage nur mehr die verbohrtesten meiner Landsleute auf die alte Formel von Österreich als "erstem Opfer der Nazis" bequem zurückziehen. (Siehe: Waldheim-Debatte, Jörg Haider etc)
Bin ich jetzt der "Leibeigene" moralischer und ethischer Wertevorstellungen, ein Maggi der "besseren" oder "bösen" Menschen um ihre ideologischen Suppen zu würzen oder einfach nur ein geschichtlich für alle Zeiten moralisch und ethisch zwangsrekrutierter Großarschlochbesitzer?
Ein wenig Empathie für Kinder ehemaliger Massenmörder sollte man schon an den Tag legen, will man sich ein Urteil über unverstandenes "Deutschsuchtums" erlauben.
Gibt es wirklich Lehrer, die den jungen Deutschen von heute eintrichtern, sie seien die "Kinder ehemaliger Massenmörder"??? Werden Deutsche im Ausland wirklich dauernd als Nazis angesprochen ("von der ganzen Menschheit verurteilt")? Oder ist es nicht eher so, dass sich dem nationalen Gedanken affirmativ gegenüberstehende Deutsche (um das jetzt mal ganz freundlich so zu nennen) es sich halt gerne in diesem Schmollwinkel gemütlich machen? (Genervt insbesondere von der massenmedialen Allgegenwart Hitlers.) Alle Welt haut immerzu auf die armen, armen Deutschen hin und reibt ihnen ihre Nazi-Vergangenheit unter die Nase? Wirklich???
Du benutzt passenderweise die Formulierung,
"der Deutsche" ist in der großen weiten Welt "der große schwarze Mann"
und darauf kann ich nur sagen: ich denke, nach wie vor ist weit eher der tatsächlich schwarze Mann dieser "große Schwarze Mann". Nigerianer müssen sich gefallen lassen, bei uns unter den Generalverdacht zu geraten, Drogendealer zu sein. Muslime sind nach Ansicht vieler Deutscher und Österreicher potentielle Terroristen. US-amerikanische Touristen können zu hören bekommen, die Amerikaner seien ein kultur- weil geschichtsloses Volk von übergewichtigen waffennärrischen Frömmlern. (Und Gott behüte, einer würde anfangen zu argumentieren, es gäbe tatsächlich Gründe FÜR den Irakkrieg. Blutsaufender, Öl-gieriger Imperialist, du!) Juden haben immer irgendwas mit Geldverdienen zu tun - was natürlich ÜBERHAUPT NICHT antisemitisch gemeint ist. Und, ganz aktuell, zur Zeit kann man in internationalen Blättern im Rahmen der, äh, Olympia-Berichterstattung Karikaturen von Chinesen sehen, die an die "Japsen"-Stereotypen des 2.Weltkriegs oder an Superbösewicht Dr. Fu Man Chu erinnern.
In vielen Ländern gibt es also viele böse und dumme "Meinungen" und klischeehafte Bilder von anderen Ländern. (Insbesondere in der Yellow Press.) Dass man als Deutscher in z.B. Spanien mehr angefeindet wird als als Araber in Deutschland oder als Nigerianer in Österreich - ich bezweifle das!!! Abgesehen davon kommt mir da ohnehin der John Lennon-Song "Woman is the nigger of the world" in den Sinn...

"Empathie für Kinder ehemaliger Massenmörder" aufzubringen ist für mich also gar nicht nötig, weil es mir nicht im Traum einfällt, heute lebende Deutsche als solche anzusehen. In meinem privaten Umfeld habe ich von Österreichern, Engländern, Franzosen, Australiern NOCH NIE gehört, dass jemand der Meinung ist, die Deutschen seien halt einfach (gewissermaßen lemminghaft zuinnerst immer auf den nächsten "Führer" wartend) Nazis. Und nach dem außerordentlich gastfreundlichen Auftreten Deutschlands als Veranstalter der vorigen Fußball-WM bin ich mir sicher, dass viele junge Ausländer, die zu diesem Anlass erstmals in Deutschland waren, ein sehr positives Bild des Landes mit nach Hause genommen haben, das mit Nazis nichts, wirklich gar nichts zu tun hat.

Tja, und da ist dann eben die Frage, inwieweit der nationale Gedanke tatsächlich etwas Konkretes für den politischen/gesellschaftlichen Diskurs (welchen im Detail auch immer) bzw zur Identitätsbildung des einzelnen beitragen kann. Genau DANACH habe ich gefragt, und auch du, Wellenreiter, hast dazu NICHTS gesagt. Du möchtest dich halt einfach offensiver, unbefangener, freier als Deutscher deklarieren - wahrscheinlich, weil das halt, wie man bei anderen Völkern sieht, so ein schönes Gefühl ist, Teil eines größeren Ganzen zu sein. Was das genauer ist, keine Ahnung, Hauptsache: jetzt erst mal deutsch sein und sich wohlfühlen.

Und wehe, dieses deutsche Wohlfühlen wollen einem gewisse Leute vermiesen (z.B. weil sie meinen, gerade in einer Zeit der Krise des Sozialstaates ist das Ziehen des Nationalen Karte vielleicht keine gar sooooooo super Idee). Die bekommen dann bisweilen zu hören, sie seien "Nestbeschmutzer", Vaterlandsverräter, unsichere Kantonisten, linke Spinner, die wirklichen Wegbereiter der Neonazis etc. Oder?
 
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