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Dein Wille geschehe - gibt es den freien Willen?

A

Andreas61

Guest
Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.
- Legen wir so die Verantwortung für unser Tun in andere Hände? Wenn Gott existiert, können wir dann frei sein?

Herr Staatsanwalt, das wollte ich nicht, aber ich konnte nicht anders!
- Sollten wir unsere Einstellung zur Moral ändern oder gar die Gesetze mehr nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ausrichten? (Abgesehen von äußeren Einflüssen wie Alkohol oder emotionaler Kurzschluss).

Ich möchte mir von niemandem vorschreiben lassen, was ich denke und was ich tue!
- Schreibe ich hier, weil ich will, oder werde ich getrieben, gelenkt? Von wem oder wodurch werde ich manipuliert?

Über solche Fragen herrscht große Uneinigkeit, es gibt verschiedene Denkrichtungen großer anerkannter Philosophen und Untersuchungen von Wissenschaftlern dazu. Einige will ich (will ich wirklich?) hier kurz anführen:

Die Indeterministen (Platon, Kant, Popper, Sartre) glauben, dass sich der Mensch durch seine Willensfreiheit von der Natur abhebt, dass er sich also auch gegen die Natur richten kann.
Die Menschenrechtserklärung von 1971 beruht auf dem kategorischen Imperativ von Kant: "Die Freiheit besteht darin, alles tun zu können, was keinem anderen schadet." Unsere Werte und unser ethisches Verhalten haben ihren Ursprung in der Freiheit, meint Kant.

Die Deterministen glauben nicht an die Freiheit des menschlichen Willens. Wir unterliegen im Denken und Handeln den Naturgesetzen. Menschliche Handlungen sind instinktgesteuert zu erklären, der freie Mensch somit eine Fiktion.
Auch Nietzsche verneint den freien Willen: "Die bösen Handlungen, welche uns jetzt am meisten empören, beruhen auf dem Irrthume, dass der Andere, welcher sie uns zufügt, freien Willen habe, also dass es in seinem Belieben gelegen habe, uns diess Schlimme nicht anzuthun."

In den 1970er Jahren startete der Neuropsychologe Benjamin Libet in den USA ein Projekt: Er bat Versuchspersonen, ihre Hand zu einem frei gewählten Zeitpunkt zu bewegen. Währenddessen blickten sie auf eine Art Uhr: Die Probanden sollten sich genau merken, zu welchem Zeitpunkt sie sich für ihre Bewegung entschieden. Gleichzeitig registrierte Libet die Hirnaktivität der Probanden. Das erstaunliche Resultat: 350 Millisekunden bis 400 Millisekunden vor dem Entschluss, die Hand zu bewegen, zeigte sich bereits Aktivität in dem Hirnbereich, der die Hand steuert.

Das ist nur eine kleine Übersicht und einige provokante Gedanken dazu, es sind Eure Meinungen oder weitere Informationen dazu gefragt: Wollt Ihr?

Ein von Neugier getriebener
Andreas
 
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AW: Dein Wille geschehe - gibt es den freien Willen?

Hallo Andreas !

Ein interessanter und gründlicher (Eröffnungs)-Beitrag zu einem interessanten Thema.

Nun, ich glaube schon, dass wir den Katholizismus (möglicherweise auch andere Religionen, die in Ihren Gebeten "Dein Wille geschehe" - womit natürlich Gott gemeint ist) und die Theorie vom freien Willen des Menschen miteinander vereinbaren können.

Das "Dein Wille geschehe" in unserem Vaterunser lege ich so aus, dass Gottes Wille Priorität hat und nur im Falle einer mangelnden Willensübereinstimmung der Wille Gottes geschieht. Wenn Du die zehn Gebote durchgehst, wirst Du keine einziges Mal die Formulierung "Du musst" oder "Du hast zu . . ." oder "Du darfst" bzw. "Du darfst nicht" finden, sondern immer nur "Du sollst" oder "Du sollst nicht". Gott befiehlt nicht, er empfiehlt. Er lässt uns selbst entscheiden. Wir entscheiden dann im wesentlichen zugunsten unserer Triebe oder zugunsten unseres Gewissens.

Liebe Grüße

Zeili
 
AW: Dein Wille geschehe - gibt es den freien Willen?

Lieber Andreas,

im Rahmen dieser philosophischen Überlegungen haben Neurologen herausgefunden, dass Handlungen VOR der bewussten Überlegung ausgeführt werden.
Zwar sind das Bruchteile von Bruchteilen von Sekunden, aber trotzdem!
Der Arm wurde angehoben (dies ist nur EIN Beispiel), bevor das Gehirn den entsprechenden Reiz an die Muskulatur weiterleitete. Da der Wille oder der Plan zum Anheben des Armes ja logischerweise da sein muss, um das Gehirn dementsprechend zu aktivieren, dies aber zunächst ohne unser willentliches und wissentliches Zutun geschah, wirft das viele Fragen auf!
Leben wir oder werden wir gelebt?
Ich kann dir leider keine Bezugsquelle nennen, aber das ging durch die Medien. Demnach treibt "es" uns an? Was "es" sein könnte, lässt weiten Raum für Spekulationen und vor allem die Frage nach der Verantwortlichkeit des einzelnen für seine Handlungen im neuen Licht erscheinen!
Ich sags dir gleich: Ich habe keine Antworten!
Das "Gottding", mit dem kirchenreligiöse Menschen jede Frage beantworten, gilt in dieser Form nicht für mich.
Wobei ich, wäre ich kirchengottgläubig, dem "lieben Gott" auch dann die lästerliche Frage stellen würde:
Warum zum Geier hast du nicht ein anderes Drehbuch geschrieben?

Have a nice weekend,
my multilingual friend :kuss1: !

Fortuna
 
AW: Dein Wille geschehe - gibt es den freien Willen?

vom Zaratustra-thread zum Willen


Wille ist der dualistische Oberbegriff
- Einsicht ist der Willensverzicht
- Absicht ist die Willensbekundung

der nichtdualistische 'Wille' ist 'Gottes Wille'
über dessen Mißachtung und die darauf folgende Strafe erzählt die Tragödie

'Gottes Wille' stammt ursprünglich aus den Gegebenheiten der Umwelt (Urmonotheismus)

wer glaubt,
dass sich der Mensch durch seine Willensfreiheit von der Natur abhebt
denkt dualistisch
(Technik-Natur anstelle Umwelt),
und kann nicht nachhaltig wirtschaften
(müsste also irgendwann aussterben)

wer glaubt,
daß
menschliche Handlungen ... instinktgesteuert zu erklären
seien,
der Wille also unfrei sei,
denkt dualistisch
(Trieb-Natur anstelle Kulturlandschaft)
und kann nicht nachhaltig wirtschaften
(müsste also irgendwann aussterben)
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Dein Wille geschehe - gibt es den freien Willen?

350 Millisekunden bis 400 Millisekunden vor dem Entschluss, die Hand zu bewegen, zeigte sich bereits Aktivität in dem Hirnbereich, der die Hand steuert.

fühlen-denken-handeln
(in dieser Reihenfolge!)
führt zu 'Gottes Wille'
(läuft im Jetzt ab)

wer denkt-handelt-fühlt,
ist Dualist
er zweifelt an sich selbst,
weil ihm sein Gefühl erst dann (Un)Zufriedenheit signalisiert,
wenn es bereits zu spät ist

wer handelt-fühlt-denkt,
ist dumm
 
AW: Dein Wille geschehe - gibt es den freien Willen?

Hallo Andreas,

ich für meinen Teil bin geneigt, Kant zumindest im Grundsatz zuzustimmen. Der Mensch ist in der Lage, sein Handeln zu bestimmen. Andernfalls wäre der Umbruch in der Zeit der Aufklärung eigentlich nicht zu erklären. Das Eiltempo, in dem sich die Welt seitdem entwickelt hat - freilich im guten wie im schlechten - ist gerade Folge des kategorischen Imperativs und seines Mißbrauchs. Dabei hängen die jeweiligen Folgen von der Frage ab, ob die richtigen oder falschen Entscheidungen getroffen wurden.

So der Grundsatz, der allerdings ziemlich vereinfacht dargestellt ist.

Denn die Entscheidungsfreiheit findet ihre Grenze in einer Vielzahl von z.B. gesellschaftlichen, biologischen und psychischen Faktoren. Sobald die Freiheit nach der langen Periode des Dahinvegetierens unter der Knute der Kirche im Mittelalter einsetzte, begannen auch schon die Manipulationen von anderer Seite. Freiheit und seine Widersacher existieren immer nebeneinander, mal in brachialer, mal in subtiler Form.

Ich finde Zeilingers Ansatz aus Sicht eines gläubigen Christen ex ante (d.h. ist möchte mich über Glauben oder Nichtglauben hier nicht äußern) im Ansatz richtig. Ob allerdings im Fall der Nichtübereinstimmung - Gott einmal vorrausgesetzt - dieser das letzte Wort hat, möchte ich doch bezweifeln. Dafür haben sich im Verlauf der Geschichte doch die katastrophalen Fehlentscheidungen ziemlich oft durchgesetzt und es fällt schwer, manscherlei Abgründe der Menschheit als gottgewollt zu akzeptieren.

Viele Grüße

PS: Es ist für mich ein Novum, über derartige Themen zu schreiben, ich war mal so frei, es zu versuchen.
 
AW: Dein Wille geschehe - gibt es den freien Willen?

Hallo Zeilinger!
>>> Nun, ich glaube schon, dass wir den Katholizismus und die Theorie vom freien Willen des Menschen miteinander vereinbaren können.

Ich sehe darin jedenfalls auch einen Sinn des Glaubens, der Glaube als eine Art moralische Instanz und Leitbild für unser Tun und Lassen. Denn wenn wir sowieso alles automatisch richtig machen würden, wäre unser freier Wille dann nicht unnötig? "Du sollst" entspricht eben diesem Leitbild, nach dem wir unseren freien Willen ausrichten können.

Aber auf jeden Fall ist unser freier Wille von Bedingungen abhängig, er entwickelt sich (was nicht in jedem Fall zutreffen muss).
Ein Beispiel: Wenn Du am Sonntag in die Kirche gehen willst, dann gehst Du vielleicht nicht nur aus Gewohnheit, sonder weil es Deiner inneren Überzeugung entspricht und Du es daher aus freiem Willen machst. Niemand zwingt Dich, wenn man jetzt mal ev. gesellschaftliche Verpflichtung unberücksichtigt lässt.

Aber wie kam es zu diesem freien Willen?

Erziehung ist eine der prägenden Voraussetzungen.
Aber auch die feierlichen Zeremonien, Rituale, prunkvollen Priesterkleidungen wirken sehr tief in das Unterbewusstsein und können eine gewisse Einstellung und Haltung im Laufe der Jahre stark prägen. Das soll jetzt keine Wertung sein, ich kenne dafür zu viele äußerst positive und auch sehr negative Beispiele. Aber wie frei ist der Wille dann wirklich, wenn er von so einem wichtigen Vorfeld abhängig ist?

Hallo Fortuna!
>>> Demnach treibt "es" uns an? Was "es" sein könnte, lässt weiten Raum für Spekulationen und vor allem die Frage nach der Verantwortlichkeit des einzelnen für seine Handlungen im neuen Licht erscheinen!
Ich sags dir gleich: Ich habe keine Antworten!


Raum für Spekulationen, ja genau, oder anders ausgedrückt: Wir sind da sehr auf unseren Glauben angewiesen, jetzt nicht nur auf den religiösen Glauben eingeschränkt. Wer oder was hat diesen ersten "Kick" für unsere spätere Handlung ausgelöst, den wir nicht beeinflussen können? Das kann ja auch nicht nur so aus dem Nichts kommen!

Du kannst es nicht beantworten, ich auch nicht und ich meine, das wird für immer für uns Menschen ein Geheimnis bleiben.
Ich habe gerade bei diesem Thema das Gefühl, dass jede Antwort immer wieder neue Fragen aufwirft. Nicht ohne Grund sind da gerade auch die größten Philosophen oft gegenteiliger Meinung. Und wir können wieder einmal nur glauben und unseren Glauben ev. begründen, ohne es aber genauer zu wissen.

Multilingual?
Wie Du weißt, bin ich sprachlich unbegabt und ich habe daher im Wörterbuch nachgeschaut:
"Lingual: mit der Zunge gebildeter Laut".
Da spür ich doch was auf der linken Wange...
:kussmund:

Hallo Scilla!
>>>dualistische Oberbegriff
fühlen-denken-handeln


Deine Gedanken zu den von Dir zitierten Aussagen sind zwar knapp und in der Kürze dennoch oder gerade deswegen etwas kompliziert, aber ich finde sie sehr interessant und ich kann diesem Gedankengang was abgewinnen!

Hallo Zwetsche!
>>> Denn die Entscheidungsfreiheit findet ihre Grenze in einer Vielzahl von z.B. gesellschaftlichen, biologischen und psychischen Faktoren.

Wahrscheinlich ist mein Beispiel mit der Kirche (s.o. an Zeilinger) auch hier einzuordnen: Der freie Wille hat sich auch aus irgend etwas entwickelt.

>>> Dafür haben sich im Verlauf der Geschichte doch die katastrophalen Fehlentscheidungen ziemlich oft durchgesetzt und es fällt schwer, manscherlei Abgründe der Menschheit als gottgewollt zu akzeptieren.

Was "gottgewollt" ist, ist für mich reine Glaubenssache. Das haben Menschen geschrieben und uns gelehrt, und dass sie dabei von Gott gelenkt oder beeinflusst wurden, muss jedem selber überlassen bleiben - hüben wie drüben, meine ich.

Es freut mich sehr, dass Du "mal so frei" warst, "es zu versuchen"! War es wirklich Dein freier Wille oder wurdest Du nicht von etwas inspiriert, was Du als eigentlichen Auslöser gar nicht erkennen kannst? ;)

lg an alle
Andreas
 
AW: Dein Wille geschehe - gibt es den freien Willen?

Wir entscheiden dann im wesentlichen zugunsten unserer Triebe oder zugunsten unseres Gewissens.

...in den meisten Fällen auch danach, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, erwischt zu werden.



Auf was bezieht sich denn deine Frage genau - nur auf das, was man "will", oder darauf, ob man seinen Willen "frei" umsetzen kann?
 
AW: Dein Wille geschehe - gibt es den freien Willen?

Schöner Thread, danke dir Andreas - und eine Warnung gleich am Anfang: bei mir führt dieses Thema leicht zum Ausufern. Dies wäre ja schon längst geschehen - bewahrt hat Euch davor die Tatsache, dass ich nicht zu Hause war.

Lasst mich aber bei der Zeit anfangen in der dieses Thema eigentlich sehr aktuell wird - es ist die Zeit der Aufklärung und eine der prägenden Persönlichkeiten dieser Epoche ist Denis Diderot. Ich liebe ihn auch wegen der geistreichen Art in der er uns in seinem Roman "Jacques der Fatalist und sein Herr" (1771), die ganze Problematik des Determinismus oder des Fatalismus im Gegensatz zum freien Willen vor Augen führt.

Diderot führt uns in seinem philosophischen Roman mit viel Humor und mit Leichtigkeit die unterschiedlichen Facetten des Fatalismus und auch dessen Widersprüche vor. Dabei macht Diderot etwas geniales: nicht nur die Erzählung selbst widerlegt den Fatalismus, sondern auch die Erzählweise. Denn Diderot unterbricht häufig die Handlung um uns, den Lesern zu beweisen dass es sein freier Wille ist der ihm erlauben könnte die Handlung in unterschiedlichen Richtungen fortzuführen. Und so richtet er sich an den Leser und sagt:
"Es hängt alleine von mir ab.." oder "Was hindert mich daran nun..." oder noch schöner: "Was könnte doch dieses Abenteuer in meinen Händen werden, wenn ich Sie nun zum Verzweifeln bringen möchte?" (meine freie Übersetzung).
Aber es steckt ein tieferer Sinn in dieser Erzählweise: es geht hier um den Hinweis, dass es unzählige Möglichkeiten gibt durch unserem freien Willen, unser Leben zu entfalten. Dies im Gegensatz zum Fatalisten Jacques, der ständig widerholt, dass alles schon "dort oben" vorgegeben ist, und zwar in einer riesigen himmlischen Rolle, die dann so abläuft, wie es darauf vermerkt ist.

Denis Diderot schrieb:
"Er (also Jacques) dachte, dass der Mensch sich unwiderstehlich in Richtung der Ehre oder des Verderbs bewegt, wie eine Kugel den Abhang eines Berges hinunterrollt." (eigene freie Übersetzung)
Der Widersacher von Jacques ist sein Herr, der ohne sich sehr anzustrengen, ihm immerwieder beweist, dass sein Kopf voller Widersprüche steckt.

Diderot aber antwortet nicht direkt auf die Frage der Willensfreiheit versus Fatalismus. Er will uns nicht überzeugen, uns seine Vorstellungen aufzwingen, auch da lässt er dem freien Willen des Lesers den Vorrang.
Oft gewinnt man den Eindruck, dass er uns eher unterhalten, als überzeugen möchte. Vielleicht ist dies seine ganz grosse Stärke.

Meine Schwäche aber ist es, dass ich immerwieder über Diderot erzählen muss. Nun seit großzügig, übersieht es - denn das war nur eine Einführung. Morgen geht es weiter, ich möchte versuchen über den Erkenntnissen der Neurobiologie etwas zu schreiben.
Dabei hast du Andreas mir schon vorgegriffen indem du die wichtigen Experimente von Benjamin Libet erwähnt hast.

Wenn ich mich an Hand von Denis Diderot so lange beim Fatalismus versus freiem Willen aufgehalten habe, dann gibt es, ausser meiner Liebe zu Diderot, noch einen Grund dafür: immer wieder staune ich, wie stark noch der Glaube an unserer Unfreiheit, an einer Vorbestimmtheit, anzutreffen ist.
Auch wenn an Stelle der großen himmlischen Rolle, heute eher die Strukturen unseres Gehirns dafür verantwortlich gemacht werden.

Euch allen einen schönen, nach Eurem freien Willen gestalteten Abend.

Liebe Grüße

Miriam
 
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Freier Wille, oder doch nicht?

Wer entscheidet, in welche Lebensumstände ich hineingeboren werde?
Wo kommt die Kreativität her?
Wieso folgt die Natur Gesetzen?

Freier Wille – das heißt, ich bin weder von irgendwelchen äußeren Umständen abhängig, wie z.B. meinen körperlichen Möglichkeiten oder meinem sozialen Umfeld, noch gibt es geistige Beschränkungen. Mein Wille ist das Steuerelement, das mich zum Herrn über alles andere in der Natur macht. Er stünde nur in Konkurrenz mit dem Willen meiner Mitmenschen.

Ist das so? Werden wir nicht alle in Lebensumstände hineingeboren, die uns schon vorgeben, wie wir unsere Umwelt betrachten und erkennen? Frei kann dann nur bedeuten, dass wir innerhalb begrenzter Möglichkeiten eine gewisse Entscheidungswahl haben. Aber haben wir die wirklich?

Scillas Erklärungsmodell ist eine Einteilung in Kategorien. Aber kann jemand selbst entscheiden, welcher dieser Kategorien er angehören will?

Kann ich mich selbst entscheiden, ob ich mich frei fühle oder ob ich ein Fatalist werde?

Ist es nicht vielmehr so, dass alles, was in dieser Welt geschieht, mit allem in Verbindung steht? Jede kleine Bewegung überträgt sich auf das Ganze, eine kleine Welle im Ozean verbreitet sich über die ganze Welt, Sonnenlicht und Wärme haben einen Einfluss auf alles auf der Welt, ein Vogelzwitschern in der Früh beeinflusst die Laune einer ganzen Bürogemeinschaft, was sich wiederum auf den Umgang mit Kollegen und Kunden auswirkt, das sich wiederum auf …… usw. usf. So wirkt alles zusammen, jede Handlung zieht Kreise, die sich immer wieder überschneiden. Letztendlich hat jeder für seine Entscheidung nur eine Möglichkeit, diese eine Möglichkeit, die ihm sein Umfeld erlaubt.

Hier gibt es mMn noch nichts, das wir nicht verstehen könnten. Jeder kann diesen Vorgang in seinem Alltag beobachten, einfach nur zusehen und feststellen.

Die kleine Welle im Ozean entstand vielleicht durch ein kleines Seebeben, das durch eine Gesteinsverschiebung ausgelöst wurde. Bei Naturereignissen stehen wir ja mit unserem Willen oft ziemlich dumm da.

Und wem ist es noch nicht passiert, dass er etwas genau geplant und durchdacht hat, weil er ein bestimmtes Ziel erreichen wollte? Doch dann kam etwas Unvorhergesehenes dazwischen und alle Pläne waren zum Wegwerfen.

Wir können die Komplexität der Welt nicht überblicken, wir kennen nur die gröbsten Gesetze, nach denen alles in der Welt abläuft. Wie sollten wir mit unserem Willen hier etwas Sinnvolles bewirken?

Wir fühlen uns in einem gewissen begrenzten Rahmen sicher genug, um uns vormachen zu können, unser Wille wäre das, was uns zu Entscheidungen zur Verfügung steht. Dabei wissen wir noch nicht einmal, welchen Impulsen wir eigentlich wirklich folgen und wo diese Impulse herkommen. Wir spekulieren und machen uns Bilder, aber wir haben genauso viel Ahnung wie die ersten Menschen.

Alles was wir bisher gelernt haben, ist, Hirngespinste zu erzeugen. Gedankenkonstruktionen, die immer nur kleine Ausschnitte des großen Ganzen erklären.

Aber wir faseln vom freien Willen, weil wir glauben, eine Entscheidung, ob ich meinem Gegenüber eine in die Fresse haue oder ob ich ihn doch freundlich grüße, entspringt meinem Willen. NEIN, ich habe nur die Spielregeln gelernt. Ich komme einfach besser aus mit meinen Mitmenschen, wenn ich gesellschaftliche Spielregeln einhalte. Was ist daran frei?

An Gott zu glauben ist auch keine Willensentscheidung. An Gott zu zweifeln auch nicht. In dem Moment, wo wir als Mensch in diese Welt kommen, sind wir ein Teil von allem. Wir können uns nicht entscheiden, ob wir lieber kein Mensch sein wollen. Der einzige Ausweg ist, diese Welt zu verlassen. Aber auch das entscheiden alle gemeinsam, das gesamte Universum ist daran beteiligt durch die gegebenen Umstände.

Das ist vielleicht eine etwas ungewöhnliche Betrachtung des Themas. Ich will damit auch nicht irgendeine religiöse Ausrichtung ausdrücken. Es ist die Natur selbst, die mir den Eindruck vermittelt, dass wir alle voneinander abhängig sind, nicht nur die Menschen sondern das gesamte Universum. Wir sind frei und unfrei gleichzeitig, wir treiben die Welt an und werden angetrieben.

Sorry Andreas, ich fange mit den Philosophen nicht so viel an. Sie geben mir nur Impulse, über ein gewisses Thema selbst nachzuforschen. Das habe ich hiermit getan.

:blume1: :blume1:
lilith
 
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