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Zum Tod von C. F. von Weizsäcker

Hartmut

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15. August 2005
Beiträge
3.007
Gestern ist der Physiker und Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker (CFW) im Alter von fast 95 Jahren gestorben.

Der am 28. Juni 1912 geborene CFW studierte von 1929 bis 1933 Physik, Mathematik und Astronomie in Berlin, Göttingen und Leipzig. Sein Lehrer und Freund war Werner Heisenberg, den er später mal als "Kolumbus der Physik der Mikrowelt" bezeichnete.

Bekannt wurde CFW als Physiker durch eine Formel für die Bindungsenergie der Nukleonen im Atomkern und durch die Mitentdeckung des thermonuklearen Fusionsprozesses, der für die kontinuierliche Energieproduktion der Sonne resp. der Sterne sorgt (Bethe-Weizsäcker-Zyklus).

Von 1939 bis 1942 war CFW mit Heisenberg und anderen im sog. Uranverein tätig, dem deutschen Kernforschungsprogramm. In einer Arbeit vom 17. Juli 1940 wies er darauf hin, dass durch Neutroneneinfang im Uran-238 ein neues, vermutlich ebenfalls spaltbares Element entsteht (das Plutonium). Er räumte später ehrlich ein, die Entwicklung einer deutschen Atombombe ins Auge gefasst zu haben, und betrachtete dies offen als Fehler. Es sei eine "göttliche Gnade" gewesen, dass der Bau einer Atombombe in Nazi-Deutschland technisch nicht zu realisieren war.

In den Zeiten des Kalten Krieges wurde die Verhütung eines heissen, nuklearen Krieges zu seinem zentralen Engagement. CFW war der Hauptinitiator der Erklärung der 18 Göttinger Professoren, die sich am 12. April 1957 gegen eine Aufrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen aussprachen.

Seit 1957 hatte CFW eine Professur für Philosophie an der Uni Hamburg inne. Er befasste sich mit wissenschaftstheoretisch-physikalischen Fragestellungen, besonders im Hinblick auf die konzeptionellen Grundlagen der Quantenphysik.

1970 gründete er in Starnberg das Max-Plack-Institut zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt, das er bis 1980 gemeinsam mit dem Philosophen Jürgen Habermas leitete. Die Gefahr eines Kernwaffenkrieges, die Umweltzerstörung und der Nord-Süd-Konflikt standen im Mittelpunkt der F-Arbeit seines Instituts.

Nach seiner Emeritierung im Jahre 1980 trat CFW für einen konsequenten Pazifismus ein. Sein Leitmotiv lautete: Die Wissenschaft trägt Verantwortung für die eigenen Ergebnisse - auch wenn deren Folgen nicht gewollt und nicht einmal absehbar sind.

Gruss
Hartmut
 
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AW: Zum Tod von C. F. von Weizsäcker

In unserer Zeit die zum großen Teil auch von Information bestimmt wird, möchte ich noch ein Thema hier anschneiden – eher mit dem Zweck von dir Hartmut, mehr zu erfahren. Und wenn ich mich hier vielleicht auf einem Gebiet hineinwage das mir nicht so zugänglich ist, dann auch um es mir vielleicht durch zusätzliche (aber einfache!) Erklärungen begreiflicher zu machen.

Was Friedrich von Weizsäcker betrifft: mich interessiert diese Schnittstelle zwischen Philosophie und Physik welche ihn so sehr kennzeichnet.
Nun zurück zur Information:

Carl Friedrich von Weizsäcker stellt nämlich vor Energie und Materie die Information – was eine Art Revolution bedeutete in den 50. Jahren. Mit anderen Worten: er stellt die Information ganz am Anfang und erst als sekundäre Phänomene folgen laut CFW Energie und Materie.
Weizsäcker zerlegt so zu sagen jedes Objekt bis in ihre binäre Aussage. Und diese sind 1 und 0 – dies kann man auch mit "sein" oder "nicht sein" übersetzen. (Ich habe diese Interpretation der 1 und der 0 vor längerer Zeit irgendwo(?) gelesen).

Durch dieses Zerlegen bis ins Kleinste, gelangt von Weizsäcker an die elementaren Bausteine, die die Basis für alle komplexe Systeme oder Objekte sind. Anders ausgedrückt: an diesen Grundbausteinen angelangt und sie wieder zusammenfügend, kann man komplexe Objekte wieder aufbauen.

So weit so gut. Aber wenn man sich nun auf die Ebene des Quantenkosmos begibt, finden da neben der Aussage "ja" oder "nein" anders ausgedrückt "sein" oder "nicht sein" auch Überlagerungszustände statt – in unserer Umgangsprache übersetzt gibt es da also auch ein "jein".

Und hier wird es für mich sehr kompliziert – falls du lieber Hartmut, diesen Überlagerungszustand vereinfacht erklären könntest – sowie die Konsequenzen dieser Erkenntnis, wäre ich dir sehr dankbar.

Liebe Grüße

Miriam

 
AW: Zum Tod von C. F. von Weizsäcker

Was Friedrich von Weizsäcker betrifft: mich interessiert diese Schnittstelle zwischen Philosophie und Physik welche ihn so sehr kennzeichnet.

Mich auch, Miriam.
Kürzlich sah und hörte ich die Wiederholung eines Vortrags, den C. F. von Weizsäcker (CFW) so um 1994 zu dieser Thematik gehalten hatte. Darin bezeichnete er die moderne Physik als wichtigstes philosophisches Ereignis des 20. Jahrhunderts. Ich meine zu recht: Relativitätstheorie, Quantentheorie, Kosmologie, Kerntechnik, Mikroelektronik etc. haben
unser Leben und unser Weltbild entscheidend beeinflusst.

Carl Friedrich von Weizsäcker stellt nämlich vor Energie und Materie die Information – was eine Art Revolution bedeutete in den 50. Jahren. Mit anderen Worten: er stellt die Information ganz am Anfang und erst als sekundäre Phänomene folgen laut CFW Energie und Materie.

Im erwähnten Vortrag erinnerte CFW an den Dualismus von Geist resp. Bewusstsein (mind) und Materie (matter). Diese beiden Begriffe sind ja die abstraktesten philosophischen Begriffe, und man kann keinen von ihnen ohne den anderen definieren. CFW brachte dies mit folgender scherzhafter Formulierung zum Ausdruck:

"What is mind? - No matter!
What is matter? - Never mind!"

CFW meinte nun, mit dem Begriff der Information diesen Dualismus zu eliminieren. Leider hat er dies in seinem Vortrag nicht genauer ausgeführt.

Weizsäcker zerlegt so zu sagen jedes Objekt bis in ihre binäre Aussage...
Durch dieses Zerlegen bis ins Kleinste, gelangt von Weizsäcker an die elementaren Bausteine, die die Basis für alle komplexe Systeme oder Objekte sind.

Ich habe ein Buch [1] von CFW, in dem er diese Idee skizziert. Die einfachsten, nach der Quantenmechanik überhaupt möglichen Objekte ("Urobjekte") seien durch eine einzige einfache Messalternative, eine Ja-Nein-Entscheidung, definiert. Die sog. Elementarteilchen müssten dann als Komplexe solcher Urobjekte und eben darum als ineinander umwandelbar erscheinen.

Der Quantenphysiker Anton Zeilinger greift in seinem Buch "Einsteins Schleier" [2] die Gedanken von CFW auf und formuliert:

"Information ist der Urstoff des Universums"

Zwischen Wirklichkeit und Information gebe es keinen Unterschied. Alles was wir haben, ist die Information, sind unsere Sinneseindrücke, sind Antworten auf die Fragen, die wir stellen. Die Wirklichkeit sei abhängig von der Information, die wir erhalten.

A. Zeilinger postuliert, dass das elementarste quantenphysikalische System einem Bit an Information entspricht. Aus dieser einfachen Grundannahme finden nach A. Zeilinger die 3 wichtigsten Eigenschaften der Quantenphysik - der objektive Zufall, die Komplementarität und die quantenmechanische Verschränkung - ihre ganz natürliche Begründung.

... wenn man sich nun auf die Ebene des Quantenkosmos begibt, finden da neben der Aussage "ja" oder "nein" anders ausgedrückt "sein" oder "nicht sein" auch Überlagerungszustände statt – in unserer Umgangsprache übersetzt gibt es da also auch ein "jein".

Und hier wird es für mich sehr kompliziert – falls du lieber Hartmut, diesen Überlagerungszustand vereinfacht erklären könntest – sowie die Konsequenzen dieser Erkenntnis, wäre ich dir sehr dankbar.

Das ist ohne gewisse mathematische Kenntnisse schwer zu erklären. Heute schaffe ich das gewiss nicht!

Gruss
Hartmut

[1] CFW: Grosse Physiker, Carl Hanser Verlag, 1999
[2] A. Zeilinger: Einsteins Schleier, Goldmann-Verlag, 2005
 
AW: Zum Tod von C. F. von Weizsäcker

Lieber Hartmut,

heute nur noch einen herzlichen Dank, muss alles sehr genau nachlesen und auch verdauen. Und irgendwann, wenn alles ein wenig sitzt, kommen noch Fragen zu Schrödingers Katze :katze:

Und hoffe, dass du dann nicht so machst: :katze3:

Gute Nacht

Miriam
 
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AW: Zum Tod von C. F. von Weizsäcker

Aber wenn man sich nun auf die Ebene des Quantenkosmos begibt, finden da neben der Aussage "ja" oder "nein" anders ausgedrückt "sein" oder "nicht sein" auch Überlagerungszustände statt – in unserer Umgangsprache übersetzt gibt es da also auch ein "jein".

Und hier wird es für mich sehr kompliziert – falls du lieber Hartmut, diesen Überlagerungszustand vereinfacht erklären könntest – sowie die Konsequenzen dieser Erkenntnis, wäre ich dir sehr dankbar.

Liebe Miriam,

vielleicht muss ich doch nicht gleich den mathematischen Apparat bemühen, um die Überlagerung zu erklären.

Die Quantenmechanik ist eine statistische Theorie, d. h. sie macht über einzelne Quantenobjekte, z. B. ein Elektron in einem Atom, keine konkreten Aussagen. Den Begriff der "Bahn eines Elektrons" gibt es nicht. Die Schrödingersche Wellenfunktion, die den Zustand etwa des Elektrons im Atom beschreibt, hat eine statistische Bedeutung: Das (Betrags-) Quadrat dieser Funktion gibt die Wahrscheinlichkeit an, das Elektron an einem bestimmten Ort zu finden. Eine Ja-Nein-Aussage zum Aufenthaltsort des Elektrons ist vor einer Messung nicht möglich. Das Elektron kann sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit überall aufhalten.

Erst bei einer Messung, etwa mit sehr kurzwelliger Strahlung, kann man den Ort fixieren, also "Ja" sagen, allerdings um den Preis, dass man nicht weiss, wo sich das Elektron im nächsten Moment befinden wird (Wegen der Unschärferelation von Heisenberg ist nämlich die Geschwindigkeit des Elektrons nach der Messung - und damit sein nächster Aufenthaltsort - völlig unbestimmt).

Abschliessend die mathematische Formulierung für den o. g. Sachverhalt in wikipedia:

Bei einer Messung nimmt das System einen der Eigenzustände des Messoperators an. Den Zustand vor der Messung kann man als Überlagerung (Superposition) aller Eigenzustände auffassen.

Zu der dich interessierenden "Schrödingerschen Katze" werde ich mal einen eigenen Thread aufmachen.

Gruss
Hartmut
 
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