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Wann sind wir sozial reif ?

Zeilinger

Well-Known Member
Registriert
22. Mai 2004
Beiträge
16.501
Hallo, alle psychologisch und philosophisch Interessierten !

In den 80er-Jahren fiel mir das Buch "Adam und Eva" von Günter Haaf in die Hände. Neben vielen Aspekten der Evolution wird in diesem Werk auch der Entwicklungsprozess von Menschen und Tieren behandelt. Dabei unterscheidet man bereits beim Tier(!) zwischen einer körperlichen Reife, geistigen Reife und einer sozialen Reife.
Seitdem frage ich mich, wenn Tiere sozial reif werden können (hier meint man vor allem die Akzeptanz einer Hackordnung), der Mensch aber die Krone (im Sinne des höchstentwickelten Lebewesens) der Schöpfung ist, wann dürfen WIR uns dann (sozial) reif fühlen ?

Ich gebe Euch hier einmal die Ergebnisse meiner Gedanken bekannt.

Grob gesagt, finde ich einmal ein Mensch ist sozial reif, wenn er

A) eine Moral annimmt
B) ein Gefühl annimmt oder
C) beides.

zu A) Hier setze ich Moral mit Ethik, von Politiker gemachten Gesetzen und mit Lebensregeln gleich.
Man kann eine Religion annehmen.

Man kann sagen, ich will im Land XY leben und will dort die auf demokratischem Wege gemachten Gesetze der Politiker halten.

Wenn jemand im Urwald in einem Naturvolk lebt, mit einem kleinen Lebensraum zufrieden ist und sich nicht expandieren will - nach den dort entstandendenen Regeln und Gesetzen

Wenn sich jemand nach ganz einfachen Grundsätzen, wie z.B. "Was Du nicht willst, dass man Dir tut, das füg auch keinem anderen zu" oder "ich will meinen Nächsten lieben wie mich selbst" hält, das dafür aber immer und überall.​

Zu B) Ein Mensch ist auch sozial reif,
wenn er Gefühle annimmt; das heißt nicht, dass er sie gleich jedem mitteilen muss, er sollte sie sich aber jedenfalls selbst zugestehen:
Diesen Menschen, dieses Tier, diese Pflanze, dieses Ding oder diese Vorstellung liebe ich, bzw. hasse ich, bzw. freue mich darüber, bzw. ärgere mich darüber, dies oder das enttäuscht mich usw.​

Was haltet Ihr davon ? Bin ich zu streng ? Zu wenig streng ? Hat die Mehrheit der Menschen eine Chance, in diesem Sinne sozial reif zu werden ?
 
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Ganz schön viel "Denkaufgaben" gibst Du uns auf, lieber Zeilinger.

Ich sehe die Antwort auf Deine ursprüngliche. Fragestellung allerdings anders als Du.Das Kennzeichen des Menschen ist es ja, seine moralischen Regeln zu hinterfragen

Also kann ich Dir nur einschränkend Recht geben.
Zu A)
Jedes Alter - vom Kleinkind angefangen bis zur Greisin - lebt in bestimmten Lebenswelten. Um in diesen zu bestehen, bedarf es der Kenntnis der "Regeln".Diese sind aber im Kindergarten andere als im Altersheim.

Also kann man wohl nie von einer abgeschlossenen sozialen Reife sprechen - anders als z.B. bei der Geschlechtsreife. Da gibt es untrügliche Zeichen, ab wann ein Mädchen, ein Junge "reif" ist.
Es wird ein Zeichen von sozialer Reife sein, zu welchem Zeitpunkt und wie der jugendliche Mensch seine sexuelle Reife auslebt.
Du meinst die freiwillige Übernahme von Regeln - Na ja. Ob wir so alle Regeln, die unser Leben regeln, freiwillig übernehmen??? Ich denke dazu, dass dieser Übernahmeprozess eher Einsicht in die Notwendigkeit ist.
Wenn man nämlich soziale Reife als das menschliche Verhalten definiert, das dem Menschen möglichst friktionsloses Leben mit anderen ermöglicht, kommt man zu zweierlei: zu selbst definierten Regeln. Die werden wohl immer eher dem eigenen Willen entsprechen: sie überlappen sich dann sicher auch mit Deinem Punkt B). Sie werden dann auch vom Individuum so angenommen, wie Du es unter B) beschreibst: positiv. Sie haben allerdings auch den Vorteil, dass sie regulierbar sind - also veränderbar. Du siehst gleich, worauf ich hinaus will: ich kann zwar wollen, dass ich alle Menschen liebe - aber wenn es mir nicht immer gelingt- na, ist auch kein Pech.
Anders sieht es mit den sanktionierbaren Regeln der Gesellschaft aus.
Wir sind Staatsbürger - müssen uns an die Gesetze halten, andernfalls werden wir bestraft - ---Aber wer hat sich denn in der Regel seine Staatsbürgerschaft selber ausgesucht, wer übernimmt schon jedes Gesetz freiwillig?
Hier besteht die soziale Reife eben darin, einzusehen, dass mir der Zustand des Nichtsanktioniertseins lieber ist als der Zustand z. B. im Kittchen.




Das, was Du zu Punkt B) sagst, sind sicher Kennzeichen sozialer Reife: zu seinen Gefühlen stehen, sich durch das Zeigen dieser Gefühle anderen Menschen " verfügbarer" zu machen, d.h. sich einschätzbarer zu machen.Dann geht es in einer Gruppe auch leichter, wenn wir einschätzbarer sind.


Uff - uff!!!!

Interessante Frage - hoffentlich habe ich nicht zu klug geschwätzt.

Marianne, die ihre eigene Regeln nicht immer befolgt, dafür aber sehr wohl nicht ins Kittchen will, keine Strafe fürs Nichtanschnallen zahlen will, keinen Steuernachzahlungsbescheid kriegen will....... us usw usw!
 
Hallo Majanna !

Habe leider erst jetzt bemerkt, dass Dein Statement ja noch einige Antworten erfordert. Entschuldige, ich will möglichst auf alles eingehen.

Ganz schön viel "Denkaufgaben" gibst Du uns auf, lieber Zeilinger.
Ich will niemanden überlasten. Wenn eine Antwort eine Woche dauert oder länger, muss es auch gehen. Es kann auch hin und wieder statements geben, die bereits eine Antwort sind oder die gar keiner Antwort bedürfen (nicht absichtlich).

Ich sehe die Antwort auf Deine ursprüngliche Fragestellung allerdings anders als Du. Das Kennzeichen des Menschen ist es ja, seine moralischen Regeln zu hinterfragen
Stimme ich Dir zu.

Also kann ich Dir nur einschränkend Recht geben.
Zu A)
Jedes Alter - vom Kleinkind angefangen bis zur Greisin - lebt in bestimmten Lebenswelten. Um in diesen zu bestehen, bedarf es der Kenntnis der "Regeln".Diese sind aber im Kindergarten andere als im Altersheim.
Sehe ich als einen weiteren Aspekt, nicht unbedingt als Widerspruch. Die Unterteilung des Lebens in mehrere Lebensabschnitte, die auch eigene Welten sind, ist ein interessanter Gedanke.

Also kann man wohl nie von einer abgeschlossenen sozialen Reife sprechen - anders als z.B. bei der Geschlechtsreife.
Muss ich Dir zustimmen; es sollte auch einmal "nur" ein Ideal sein, ein Ziel. Die Diskussion - falls sie aufgenommen wird - soll klären, ob die Mehrheit der Menschen das erreichen können. So wie es derzeit aussieht, will die Mehrheit der Forumsteilnehmer so einen Zustand gar nicht erreichen.

Du meinst die freiwillige Übernahme von Regeln - Na ja. Ob wir so alle Regeln, die unser Leben regeln, freiwillig übernehmen??? Ich denke dazu, dass dieser Übernahmeprozess eher Einsicht in die Notwendigkeit ist.
Freiwillig wäre natürlich optimal und ideal. Einsicht ist natürlich auch sehr gut.

Wenn man nämlich soziale Reife als das menschliche Verhalten definiert, das dem Menschen möglichst friktionsloses Leben mit anderen ermöglicht, kommt man zu zweierlei: zu selbst definierten Regeln. Die werden wohl immer eher dem eigenen Willen entsprechen: sie überlappen sich dann sicher auch mit Deinem Punkt B).
Der oder die Anderen können ja zu den gleichen selbst definierten Regeln kommen, sodass ein reibungsloses Zusammenleben möglich wird.

Sie werden dann auch vom Individuum so angenommen, wie Du es unter B) beschreibst: positiv. Sie haben allerdings auch den Vorteil, dass sie regulierbar sind - also veränderbar. Du siehst gleich, worauf ich hinaus will: ich kann zwar wollen, dass ich alle Menschen liebe - aber wenn es mir nicht immer gelingt- na, ist auch kein Pech.
Sehe ich gleich.

Anders sieht es mit den sanktionierbaren Regeln der Gesellschaft aus.
Wir sind Staatsbürger - müssen uns an die Gesetze halten, andernfalls werden wir bestraft - ---Aber wer hat sich denn in der Regel seine Staatsbürgerschaft selber ausgesucht, wer übernimmt schon jedes Gesetz freiwillig?
Hier besteht die soziale Reife eben darin, einzusehen, dass mir der Zustand des Nichtsanktioniertseins lieber ist als der Zustand z. B. im Kittchen.
Sehe ich nicht als Gegensatz zu meiner Theorie, eher als Erweiterung bzw. Verfeinerung.

Interessante Frage - hoffentlich habe ich nicht zu klug geschwätzt.
Überhaupt nicht. Ich kommuniziere gern mit Dir, wenn wir auch nicht sofort immer einer Meinung sind (wäre auch zu schön und wahrscheinlich langweilig; im Ennstal gibt es ein Sprichwort: "Sie werden sich schon zusammenstreiten).

Marianne, die ihre eigene Regeln nicht immer befolgt, dafür aber sehr wohl nicht ins Kittchen will, keine Strafe fürs Nichtanschnallen zahlen will, keinen Steuernachzahlungsbescheid kriegen will....... us usw usw!
Nobody is perfect - und wenn Dich wer ins Kittchen stecken will, suchen wir dann wohl sicher mit vereinten Kräften den besten Rechtsanwalt).

Danke, dass Du so lange gelesen hast.

Viele Grüße
Per(c)zy
 
Hallo Ihr,

ich persönlich denke, in jedem Menschen steckt von Geburt an ein grundlegender Drang sozial zu sein. Ich glaube NICHT, dass ein Mensch zu sozialem Verhalten erzogen oder angeleitet werden muss. Wenn mir jemand bei dem Thema mit Tischmanieren, Konversation, Knigge oder „freundlich Guten Tag sagen“ kommt, kann ich den nur schulterzuckend ansehen, denn in meinen Augen ist das der Ersatz für ein im Rahmen der Erziehung bewusst und unbewusst zerstörtes menschliches Bedürfnis. (Würde das aus dem Weitergabezwang herleiten.) Mal so nebenbei halte ich Moral im Sinne fremder Werte (z.B. via Bibel oder Erziehung) ebenfalls nur für so ein Substitut. In meinen Augen kann ein Mensch soziales Verhalten, wie seine eigene Moral selbst erzeugen und entwickeln, WENN er seine Gefühle zum Zeitpunkt der Entstehung (in der Vergangenheit) erlebte, also nicht z.B. verdrängte oder zumindest später nachholen und erleben konnte (ein schwerer, fast unschaffbarer Prozess). Ein rein verstandesmäßiges Entwickeln der eigenen Moral oder des eigenen sozialen Verhaltens, ist in meinen Augen kaum möglich (oder es besteht die Gefahr von Täuschungen), in diesem Falle würde ich dann Perzi zustimmen und ein „fremdes Annehmen“ als Ersatz verwenden. Da die meisten von uns wohl aber mehr oder weniger (gewaltsam) von ihrem Instinkt getrennt wurden, hmmm...naja...was bleibt denn dann...eigentlich traurig für unsere Welt.

Wenn ich das so richtig verstehe, liege ich aber näher an majanna, als an Perzi.

Grob gesagt, finde ich einmal ein Mensch ist sozial reif, wenn er
A) eine Moral annimmt
B) ein Gefühl annimmt oder
C) beides.

Ich würde das nicht so sehen. In meinen Augen hieße es eher:

A) seine Moral soweit entwickelt hat, dass er zwanglos deren Verwirklichung lebt, nicht nur predigt
B) seine Gefühle annimmt und fremde Gefühle (deshalb!) respektiert
C) seine eigenen Bedürfnisse erkennt und sich zugesteht
D) all das in einem bestimmten Maße, das Maß jedoch, kann ich leider nicht einschätzen, ich könnte es nur umschreiben siehe nächste Abschnitte

Ich weiß nicht genau, was reif bedeutet, aber wenn du darunter ein freundliches, offenes, in sich ruhendes Wesen verstehst, was eine innere nichtsfordernde und nichtsmanipulierende Stärke besitzt, verstehst, würde ich zustimmen. Was reif im Sinne der entwickelten biologischen Erwartung, des Kontinuums (oder weiß der Geyer was)..., als „ausgereift oder entsprechend“ zu verstehen ist, weiß ich ehrlich gesagt nicht...ich könnte nicht mal sagen, ob ein Erleuchteter überhaupt „am reifesten“ ist...da kann ich nur mit den Schultern zucken.
*zwischendurch Schweiß abwisch*

Ich glaube, man spürt, ob ein Mensch sozial reif ist. Reif kann er werden, wenn er entweder in seiner Kindheit/Vergangenheit mit der ausreichenden Dosis Liebe und Respekt aufwachsen konnte oder dies durch Selbsterkenntnis später zu einem gewissen Grad nachholen kann. Ein schwieriges Thema.

Viele Grüße
Bernd
 
Nachdem ich heute Nacht noch ein bisschen gegrübelt habe, muss ich mich korrigieren:

"...Grob gesagt, finde ich ein Mensch ist sozial reif, wenn er: ..."

[A) seine Moral soweit entwickelt hat, dass er zwanglos deren Verwirklichung lebt, nicht nur predigt]
B) seine Gefühle annimmt und fremde Gefühle (deshalb!) respektiert
C) seine eigenen Bedürfnisse erkennt und sich zugesteht, gleiches gilt für Bedürfnisse anderer
[D) all das in einem bestimmten aber mir unbekannten Maße ]

Dabei denke ich, dass Punkt A sich aus Punkt B und C ergibt, ich würde ihn deshalb eher aus der "Liste" rausstreichen.

Viele Grüße
Bernd
 
Bernd[QUOTE schrieb:
][A) seine Moral soweit entwickelt hat, dass er zwanglos deren Verwirklichung lebt, nicht nur predigt]
B) seine Gefühle annimmt und fremde Gefühle (deshalb!) respektiert
2 interessante, durchaus nachvollziehbare Aspekte.

Viele Grüße
Perzi
 
der Mensch ist sozial reif, wenn er ein Gefühl für, eine Ahnung von Gott hat
und zwar von dem EINEN Gott,
also nicht von zwei Göttern
(einen für sich selbst
einen für die anderen)

Leute, die vorgeben, nicht an Gott zu glauben
und sich in Zweckgemeinschaften zusammenschließen
um mehr als die anderen zu erreichen,
sind sozial unreif
selbst wenn sie kultiviert erscheinen sollten
(Kleidung, Benehmen ...)
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo scilla,

bedeutet das, dass du den als sozial reif ansiehst, der eine Art Einheit von sich und der Welt nicht nur begreift, sondern auch fühlt?

Ich persönlich halte es für wichtig, diese Einheit aus sich selbst langsam entstehen zu lassen...und halte es für gefährlich die Einheit anzunehmen (also zu glauben und dann zu fühlen).

Bernd
 
Hallo,

wenn man unter sozialer Reife auch das altmodischere Wort erwachsen sein verstehen mag, könnte ich auch noch ( immer mal wieder) Günther Anders zitieren.

"Erwachsen ist der Mensch,der mit seiner bestimmten Rolle in einer bestimmten Gesellschaft rechnen darf; der daraufhin bestimmte Dispositionen treffen kann; und mit dessen bestimmter Funktion auch die Gesellschaft rechnet. Kurz: E r w a c h s e n h e i t i s t g e s e l l s c h a f t l i c h e - IDENTITÄT."Lieben gestern, München 1967, S.27


Dass uns das aber immer schwieriger gemacht wird, ist ebenfalls ein Zeichen der möglicherweise drohenden sozialen und kulturellen Infantilität.

Marianne
 
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Ich persönlich halte es für wichtig, diese Einheit aus sich selbst langsam entstehen zu lassen

das ist eine sehr schöne Umschreibung für das Wort 'Reife'

Leute, die nichts aus sich heraus entstehen lassen,
sind solche,
die schon vorher alles zu wissen glauben,
in Wirklichkeit aber nicht warten können
(bis Gott mit ihnen spricht)
und in ihrer Not das Werk anderer Menschen imitieren,
um sich als Mensch interessant zu machen
(was normalerweise die Reife bewirkt)
 
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