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Seelenleben - über Ich, Es und das Gehirn

Miriam

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26. Juni 2005
Beiträge
9.722
Dies ist der Titel des nächsten Denkmagazins delta auf 3sat, Termin 30.6. - 21:00.

Wer dieses Denkmagazin kennt, weiss, dass uns da eine spannende Diskussion erwartet, über ein aktuelles und vieldiskutiertes Thema. Denn es geht um zwei kontroverse Theorien, zwei Standpunkte die lange Zeit sogar als Gegensätze galten, rund um die Deutung des menschlichen Verhaltens. Die zwei unterschiedlichen Ansätze der Psychoanalyse einerseits und der Neurobiologie andererseits, scheinen sich jedoch anzunähern.
Es finden sich in der letzten Zeit zwischen den beiden Grundtheorien Gemeinsamkeiten, Schnittstellen, die spannend sind.

Wer hätte gedacht, dass die Neurowissenschaften auch über Verdrängung, oder von traumatischen Erlebnissen und deren Abwehr je sprechen würden, während die Psychoanalyse neuere Erkenntnisse der Gehirnforschung sich zu eigen macht wenn über das Erinnern oder über die Abspaltung, über das Phänomen des Speicherns oder sogar über das Träumen geforscht wird?

Ist das ein Schritt zurück zu Sigmund Freud, der seinerzeit den Anfang seiner Untersuchungen mit dem Nervensystem der Fische machte oder aber die Neurologie heranzog um Sprache zu analysieren?

Es stellt sich die Frage der Gemeinsamkeiten zwischen Neurowissenschaften und Psychoanalyse wenn man die grossen Themen wie Bewusstsein und das Unbewusste aus diesen zwei unterschiedlichen Ansätzen versucht zu erklären.

Zusammengefast, wird delta am 30.6 versuchen die Unterschiede und auch die Gemeinsamkeiten dieser zwei Ansätze zu vertiefen.

Unter der Moderation von Gert Scobel, den man für seine Sendungen nicht genug loben aber auch danken kann, diskutieren:

- Michael Hagner, Wissenschaftsforscher, ETH Zürich
- Marianne Leuzinger-Bohleber, Sigmund-Freud-Institut, Frankfurt a.M.
- Hans J. Markowitsch, Neurowissenschaftler, Universität Bielefeld

URL des Informationstextes der Redaktion von delta:

http://www.3sat.de/delta/79509/index.html
 
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Hallo Miriam,

danke für den Hinweis. Dann werd ich mal wieder meinen Flimmerkasten anwerfen (falls er noch geht).

LG
Lacu
 
Standort der Psychologie heute

In meinem ersten Beitrag zur delta-Sendung am 30.6. 21:00 über das Seelenleben und die Standpunkte der Neurowissenschaften bzw. der Psychoanalyse, kommt ein wichtiger Aspekt nicht zur Sprache - deswegen melde ich mich hier nochmals zu Worte.

Bis jetzt war die Psychologie eine eigenständige Wissenschaft, die ihre grossen Verdienste zu vermerken hatte in der Erforschung der Seele, in den gewonnenen Erkenntnissen über Denken und Empfinden.

Namhafte Psychologen warnen nun, dass die Psychologie in Gefahr ist ihre Selbständigkeit zu verlieren. Dazu der Direktor des Max-Planck-Instituts für Neuropsychologische Forschung, Prof. Wolfgang Prinz:

"Im Ergebnis liest das Publikum die Dinge so, als sei die Untersuchung geistiger Leistungen im Wesentlichen heute eine Angelegenheit der Hirnforschung - und vielleicht im kleineren Umfang eine Angelegenheit der Philosophie. Die Psychologie fällt dabei sozusagen untendurch..."

und weiter:

"Nach wie vor kommt der Psychologie die zentrale Rolle in dem großen Projekt zu, die Natur psychischer Prozesse und Erscheinungsweisen zu verstehen."

Dazu sollte man noch erwähnen, dass es nicht die Psychologie war, die sich durch Berührungsängste mit anderen Disziplinen kennzeichnete.
Die Psychologie zeichnete sich eigentlich durch ihr Tendieren zu anderen Wissenschaften aus, die sie als notwendige Ergänzung verstand zur Erforschung des Denkens und des Empfindens.
So wurden in den eigenen Erkenntnissen diejenigen anderer Disziplinen berücksichtigt bzw. miteinbezogen, wie: Verhaltensforschung, Evolutionsbiologie, Hirnforschung, etc... Alle diese Forschungsrichtungen zusammen können erst die Grundlage für die Erklärung von Denkprozessen oder Emotionen bilden.

Paradoxerweise droht nun der Psychologie eben durch die Tendenz zum interdisziplinären Denken, das Aus als eigenständige Wissenschaft.

Doch interdisziplinäres Denken darf nicht als Verlust der Identität interpretiert werden. Nochmals Wolfgang Prinz:

"Eines der Ziele dieser Standortbestimmung besteht darin, deutlich zu machen, dass verschiedene Disziplinen zusammenarbeiten müssen, wenn es darum geht, ein vollständiges Bild geistiger Leistungen vom Menschen zu erstellen. Dazu gehören die Hirnforschung genauso wie die Psychologie, und auch die Sozialwissenschaften, deren Beitrag oft vernachlässigt wird. Wir müssen zusammenarbeiten, und niemand von uns ist einzeln "Leitwissenschaft" für die Zukunft". Es geht um Menschen, um Weltbilder von großer Tragweite und um die Frage: "Wer bestimmt letztlich, was Denken und Empfinden ist?"

Ich weiss nicht ob dieses Dilemma in der delta-Sendung auch aufgezeigt wird, finde es aber persönlich wichtig diesen Aspekt auch zu kennen, wenn Vertreter zweier grossen Disziplinen wie die Psychologie und die Gehirnforschung, miteinander über das Seelenleben diskutieren werden.
 
ja, dieser trend ist nicht nur bei deinen beispielen zu beobachten, er zieht sich quer durch die wissenschaften (inklusive des heiligen grals der modernen wissenschaft, der "theorie für alles")

zumal ja der menschliche geist nicht ausreicht, die welt in ihrer gesamtheit zu begreifen, spezialisierten sich die wissenschaftlichen betrachtungen (abstraktion)
so kümmern sich mediziner nicht primär um quanteneffekte, auch wenn diese quanteneffekte einfluss auf pyhsikalische und chemische reaktionen haben, diese für ein gleichgewicht bzw ungleichgewicht im körper sorgen können, was wiederum zu krankheiten führen kann
erst ab dem schritt ungleichgewicht gewisser stoffe mit der folge von körperlichen erscheinungen tritt die medizinische betrachtungsweise zu tage

nichtsdestotrotz ist, wie schon des öfteren im forum postuliert, "alles miteinander verbunden"
und ab einem gewissen level muss man, um etwas noch tiefer zu verstehen, in andere wissenschaftszweige hineinschnuppern bzw den selben sachverhalt aus verschiedenen blickwinkeln betrachten oder von verschiedenen richtungen aus an das problem herangehen

das ist auch der weg der westlichen wissenschaftsphilosophie
man lernt zuerst details, ohne "das ganze" zu verstehen
hat man eine große anzahl an solchem detailwissen, versucht man, in diesen details ein muster zu erkennen und bringt die einzelnen details in einen kontext, der "das ganze" erklären soll
selbstverständlich wird das modell umso umfangreicher, vollständiger und genauer, je größer der bereich ist, aus denen man details hat, die man zusammenfügen kann
werden dann details aus verschiedenen wissenschaftsbereichen auch noch kombiniert, ist das für ein denkmodell und das verständnis ein riesiger fortschritt

so wie neorologie und psychologie ihre schnittpunkte haben, haben sämtliche wissenschaftszweige solche
man kann computerprogrammen als softwaretechniker (auch user fallen in diesen bereich) oder als elektroniker begegnen....beide befassen sich mit dem selben, jedoch aus unterschiedlichen richtungen (abstrakt auch auf unterschiedlichen ebenen)
die schnittpunkte hier sind aber offensichtlich
will man sein verständnis über den einzelnen fachbereich hinaus erweitern ist es notwendig, eben in einen anderen bereich hineinzuschnuppern und erlangtes wissen, erfahrungen, verständnis aus verschiedenen bereichen zu kombinieren

dazu ist es auch notwendig zu verstehen, dass einzelne wissenschaftsbereiche keineswegs natur- oder gottgegeben sind....die einzelnen zweige wurden künstlich erschaffen und voneinander getrennt, um sich auf einen kleinen ausschnitt konzentrieren zu können
wenn ein mediziner erst physik, humanistik, sozialökonomie, mechanik, elektronik, etc....studieren müsste, um etwas von medizin verstehen zu können, reichte die lebenszeit nicht aus, um irgendetwas zu erreichen
um ein auto fahren zu können muss man auch nichts von thermodynamik verstehen, auch wenn diese das auto antreibt ;)

lg,
Muzmuz
 
Muzmuz schrieb:
....nichtsdestotrotz ist, wie schon des öfteren im forum postuliert, "alles miteinander verbunden"
und ab einem gewissen level muss man, um etwas noch tiefer zu verstehen, in andere wissenschaftszweige hineinschnuppern bzw den selben sachverhalt aus verschiedenen blickwinkeln betrachten oder von verschiedenen richtungen aus an das problem herangehen

das ist auch der weg der westlichen wissenschaftsphilosophie
man lernt zuerst details, ohne "das ganze" zu verstehen....

Muzmuz

Ein spannender Beitrag, Muzmuz, für den ich dir danke und aus dem es nicht einfach war zu zitieren, denn es war alles Wert zitiert zu werden.

Doch während ich deinen Beitrag las, dachte ich an Prof. Ernst Peter Fischer, Biologe und Wissenschaftshistoriker, der eigentlich viel weiter geht wenn er das heutige fragmentierte Wissenschaftsdenken kritisiert. Denn er fordert ein "Zurückfinden zur eigentlichen Quelle der Wissenschaft, zur Fähigkeit der Wahrnehmung und des Gefühls".

Fischer hat sich u.a. viel mit Alexander von Humboldt befasst, der sein Vorbild wurde:
"Er strebte eine Synthese von Wissenschaft und Ästhetik, von Begriff und Anschauung an und hoffte, durch die Verbindung von Wissenschaft und Kunst das wissenschaftliche Vorgehen um die ästhetische Dimension der Wahrnehmung erweitern zu können. Nur auf dieser Weise sah er den humanen Charakter der Naturwissenschaft gewahrt." (Fischer in einem Interview dessen Quelle ich am Ende angeben werde).

Ein weiteres Zitat aus deinen Text auf dem ich eingehen möchte:

"...dass einzelne wissenschaftsbereiche keineswegs natur- oder gottgegeben sind...die einzelnen zweige wurden künstlich erschaffen und voneinander getrennt, um sich auf einen kleinen ausschnitt konzentrieren zu können..."

Ja, schon, nur hat man aus den Augen verloren, dass diese Zweige Teilaspekte sind, dass zum Verständnis dessen was man gerade betrachtet noch eines gehört: das Wissen um das Ganze dessen TEIL das Betrachtete ist, oder das Wissen um die andere Seite, die man gerade nicht sieht.

Dazu Ernst Peter Fischer:

"Das Beispiel der Münze kann das erklären. Bei der Münze weiß ich, wenn ich auf eine Seite schaue, dass ich eine andere Seite nicht sehe. Aber diese andere Seite gibt es. Der Weg, den ich gehe ist auch dadurch symbolisiert: Gefühl und Verstand sind zwei Seiten einer Münze. Und wenn ich nur den Verstand benutze, wie es die Wissenschaft tut, laufe ich Gefahr, dass ich abstürze..."

Ich denke, dass es sich genau so verhält mit den unterschiedlichen, künstlich erschaffenen Bereiche der Wissenschaften: wenn wir vergessen sie zusammenzufügen, laufen wir Gefahr abzustürzen.

Freundliche Grüße

Miriam

Zum Interview mit Prof. Fischer:

http://archives.arte-tv.com/hebdo/archimed/19991228/dtext/sujet4.html
 
zuerst einmal danke für die blumen ;)

ja, in der praxis werden aber verschiedene zweige schon längst zusammengefügt, ohne dass wir uns dessen ständig bewusst sind

vor allem das kommunikationswesen erschaffte in den letzten jahren und jahrzehnten völlig neue wege der zusammenarbeit und damit kombinationsmöglichkeiten
so werden heutzutage wissenschaftliche, aber auch nicht-wissenschaftliche projekte selten von einem einzigen (wissenschafts)zweig bearbeitet
selbst entwicklungen "einfacher" gegenstände wie beispielsweise ein küchenmixer beansprucht erfahrungen aus verschiedensten bereichen
metallurgie für das material der rührer, rheologie für passende form der rührer, kunststofftechnik für gehäuse und viele andere teile, mechanik für den antrieb, elektrotechnik und elektronik und steuer- bzw regelungstechnik für motor, steuerung und verkabelung, ergonomie und ästhetik für körpergerechte, ansprechende und handliche formgebung, werbewissenschaft inklusive psychologie, wirtschaftswissenschaft für vertrieb, logistik für einkauf, transport und lagerung von teilen, verteilung und vertrieb der geräte und marketing, kommunikation für die korrdinierung einzelner aktivitätsbereiche, und sicherlich noch viele mehr, die mir aber zur zeit nicht in den sinn kommen
die zusammenfügung verschiedener bereiche ist schon gang und gäbe; jeder einzelne involvierte ist teil eines ganzen, das größer ist als jeder einzelne und auch größer als jeder teilbereich
der metallurge muss nicht viel von marketing verstehen, um ein sinnvoller teil des ganzen zu sein; es muss nicht einmal einen einzigen geben, der "das ganze" versteht
eine gruppe ist oft mehr als die summe der mitglieder, und so können auch einzelne spezialisten zusammen mehr erreichen, als jeder einzelne von ihnen nicht nur zu erreichen, sondern auch zu verstehen mag

daher sehe ich für die zukunft nicht eine generation von generalisten, sondern eine noch weitere spezialisierung, jedoch enorm verstärkte kooperation, unterstützt durch neue möglichkeiten der kommunikation

lg,
Muzmuz
 
wie man an der obigen Auflistung von muzmuz unschwer erkennt,
ist die Psychologie eine ANGEWANDTE Wissenschaft!

deshalb dürfte sie keine Probleme im interdisziplinären Verbund haben

Probleme haben die GRUNDLAGENwissenschaften,
die sich (zurecht) nicht in den interdisziplinären Verbund einfügen wollen
und deren Studium keine Aussicht auf einen Arbeitsplatz bietet

Die Grundlagenforschung folgt der Evolution. Die Geisteswissenschaften erforschen dabei die Materie, die erst durch den Menschen entstanden sind. Die Naturwissenschaften richten ihr Augenmerk auf das Geschehen, wie es sich ohne den Menschen darstellt:

• NW: Urknall, Himmelskörper, Erdaufbau, Kristalle (Moleküle), Minerale (Zellen), Systeme (Organismen)
• GW: Verhalten, Lebensraum, Umweltgeschichte, Technikgeschichte, politische Geschichte, Symbolgeschichte, Kunstgeschichte, Ideengeschichte, Sprache, Sein, Gott
 
Muzmuz schrieb:
[....]
die zusammenfügung verschiedener bereiche ist schon gang und gäbe;

jeder einzelne involvierte ist teil eines ganzen,
das größer ist als jeder einzelne und auch größer als jeder teilbereich

der metallurge muss nicht viel von marketing verstehen, um ein sinnvoller teil des ganzen zu sein;

es muss nicht einmal einen einzigen geben, der "das ganze" versteht
An dieser Stelle können sich dann die Philosophen nützlich machen, wenn sie versuchen,
das Ganze aus der Vogelperspektive zu betrachten und Aspekte der Entwicklung aufzuzeigen,
die den Involvierten gar nicht auffallen (können ?).


Die Entscheidung, ob man sich nun zu einem Generalisten oder zu einem Spezialisten entwickeln soll,
fällt echt schwer, wenn man sich folgende vogelperspektivische Darstellung vergegenwärtigt:

Die Spezialisten wissen über immer weniger immer mehr, bis sie zuletzt über nichts alles wissen.

Die Generalisten hingegen wissen über immer mehr immer weniger, bis sie zuletzt über alles nichts wissen.


Angesichts solcher Alternativen will man sich weder für eine vertikale Linie noch für eine horizontale Linie
entscheiden, sondern wählt ein stehendes oder ein liegendes Rechteck.

Das musste auch einmal gesagt werden.
 
Geographen kämen für die Vogelperspektive auch in Frage


aber die Geographie löst sich gerade auf
 
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neugier:

die extremfälle sind unrealistisch, aber anschaulich und passend wären langgezogene rechtrecke (dünn und lang)
um damit bei dieser veranschaulichung zu bleiben, kann man ein besonders großes rechteck erschaffen, indem man viele dieser langen, dünnen rechtecke (die sich bisweilen überschneiden können) nebeneinander legt

somit wäre das rechteck so lang, wie das spezialistentum ausgereift ist und so breit, wie es die kommunikation erlaubt
mit nahezu quadratischen rechtecken lässt sich so ein "superrechteck" nicht erschaffen...es könnte zwar genauso breit sein, aber niemals so lang, was eine verminderung der fläche bedeutet

das musste auch einmal gedacht werden ;)

lg,
Muzmuz
 
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