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kathis novembergeschichte

und so hatte kathrin im innersten auch ihre todessehnsucht überwinden können. und wenn sie so einen satz sagte, wie: „ich bin wohl schon seit über 44 jahren zu lange auf dieser welt!“, so wusste sie im innersten, dass er nicht mehr stimmte. auch wenn der größte teil ihres bisherigen lebens davon geprägt war.

aber mittlerweile hatte sie aufgehört, mit ihrem schicksal zu hadern. oder über ihre mutter zu klagen. die entbehrungen der kindheit bekamen den stellenwert, der ihnen gebührte.
kathrin sah nun, dass all diese schwierigkeiten und schrecknisse zu ihrem eigenen wachstum beigetragen hatten.
die seelenreise zu ihren wurzeln – und damit auch zu ihrer mutter - war in wahrheit eine riesige stärkung des bewusstseins gewesen.
und diese stärkung ließ sie spüren, dass jedes hindernis nur dazu da war, auf eine unfähigkeit aufmerksam zu machen. auf eine unfähigkeit, unzulänglichkeit oder ein unvermögen, das es zu erlösen gilt.
und je mehr die kraft im inneren vorhanden ist und spürbar wird, desto mehr machen diese hindernisse keine angst mehr, sondern werden als herausforderungen erlebt, denen man sich stellt.
und zwar gerne, weil man neugierig ist, wie man damit umgehen kann.

und gerade diese erkenntnis würde sie nun ihrem kind weitergeben können. allein dafür war kathrin unendlich dankbar.
 
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und wenn sie sagte: „ich passe wohl nicht auf diese welt! ich komme mit ihr nicht klar.“, dann stimmte auch dieser satz nicht mehr. denn mittlerweile kam kathrin mit ihrem leben und dieser irdischen welt ganz gut zurecht.
sie brauchte sich nun nicht mehr aufzuopfern und so zu tun, als wäre sie über alles erhaben. sie durfte nun ihre unzulänglichkeiten, ihre gefühle und auch ihre zweifel äußern. immer und überall. und vor jedem.
jetzt, da sie diese sogar vor ihrer mutter zeigen konnte.
diese zweifel - was waren sie denn schon weiter?
was waren sie nun gegen die liebe und das vertrauen?

die liebe konnte kathrin nun immer öfter spüren. und sie empfand sie mittlerweile auch bei ihrer mutter, sie empfand, spürte und .... sah sie in ihrem gesicht.

es war nun über ein jahr her, als mutter die hysterische kleine hündin einschläfern lassen musste. sie war zum schluß sehr krank gewesen. jeder tag mehr wäre ihr zur qual geworden.
und natürlich war es kathrin, die der hündin an mutters statt bis zum ende beistand. sie kauerte neben ihr am boden, hielt ihren kopf und streichelte und beruhigte sie.
mutter saß daneben. still und starr, unfähig eine handlung zu setzen oder ein gefühl zu äußern.
und dennoch geschah etwas besonderes.
so ruhig und gefasst wie hexi offenen auges eingeschlafen war, hatte mutter am selben abend zu kathrin gesagt: „danke, dass du da warst.“

und seitdem wusste kathrin, dass sie haargenau auf diese welt und in dieses leben passte.
 
AW: kathis novembergeschichte

liebe kathi,

das erste was ich jeden morgen im november tat, war: pc aufdrehen, einloggen im denkforum und schauen ob du deine tägliche geschichte ins forum gestellt hast.
ich danke dir für deinen mut und dein vertrauen uns an deinem leben teilhaben zu lassen.
:kuss1::kussmund::umarm::kuss5::danke::liebe::kuesse::kuss3::kuss2:
lg johanna
 
AW: kathis novembergeschichte

Liebe Kathi,

jetzt habe ich Deine wunderbare Novembergeschichte nochmal am Stück gelesen und ich möchte dir ein grosses Kompliment machen.
Es ist dir gelungen, dieses sensible und sehr persönliche Thema auf eine Weise zu gestalten, die berührt ohne zu bedrängen.
Und die mich (und wahrscheinlich auch viele andere) dazu gebracht hat, über die eigene Mutter-Tochter Thematik nachzudenken.

Ich finde den Verlauf, den die Geschichte nimmt so schön, die Bitterkeit am Anfang, die äussere Befreiung, das langsame sich wieder Annähern, das wachsende Verständnis, die Konfrontation und schliesslich das Ankommen bei sich selbst und die Offenheit für das, was möglich ist.

Ich freue mich mit dir, dass du diesen Weg gehen konntest.

Danke für diese Geschichte.

Liebe Grüsse
Ela
 
epilog

liebe johanna, liebe ela!
liebe freundinnen und freunde!

danke für eure lieben worte und eure anteilnahme. ich freue mich, dass die geschichte von mir und meiner mama auch andere menschen interessiert hat und berühren konnte.
und ich bin froh, dass ich sie hier schreiben durfte, denn auch das hat mir sehr große freude bereitet. beim schreiben selbst war mir, als würden sämtliche wichtigen aspekte unseres werdegangs noch einmal hochgeholt und angeschaut. und dann wieder abgelegt in die kiste der vergangenheit, aus der meine jetzige gegenwart resultiert.
und ich weiß, dass das schreiben auch einer letzten aufarbeitung gleichkommt. einer aufarbeitung, die dann auch zum abschluß führen kann.

während ich die letzten kapitel schrieb, wurde mir klar, dass noch eine ganz wichtige handlung meinerseits fehlt: nämlich meiner mama zu danken, für alles, und ihr gegenüber auszudrücken, dass ich sie lieb hab.
in gedanken habe ich es wohl schon gemacht (immerhin etwas!), aber jetzt möchte ich es auch noch reell werden lassen.
und so werde ich ihren 88-igsten geburtstag, den sie nächste woche begeht, nutzen, um ihr einen schönen brief zu schreiben, in dem das drinnen steht.
(leider kann ich es immer noch nicht aussprechen)....aber wer weiß, was noch kommt.....;)

euch allen alles liebe
kathi
 
AW: kathis novembergeschichte

Liebste Kathi,

ich möchte dir danken für diese wundervolle Novembergeschichte. Du hast diese Thematik so wundervoll beschrieben und gefühlvoll aufgearbeitet, dass mir jetzt noch Tränen in den Augen stehen.

Da diese Geschichte irgendwie auch meiner ähnelt, wenn auch aus einem etwas anderen Blickwinkel, bringt sie auch die innersten Saiten meiner Seele zum Klingen.

Danke und:kuss1:

Giovanna
 
AW: kathis novembergeschichte

Hallo liebe Kathi, :)

völlig begeistert habe ich gerade Deine Geschichte gelesen.
Ich danke Dir auch für Deine gelungene Aufarbeitung mit diesem wunderbaren Ende! :kuss1:
Dieses Ankommen bei sich selbst, in der gegenseitigen Liebe, die man erst jetzt wirklich spürt, ist echt das Beste, was uns passieren kann, gell?

Ich bin mit meiner pflegebedürftigen Mutter noch nicht ganz dort angekommen.
Ich habe ihr vor Jahren schon von mir aus Liebe entgegengebracht, die sie aber immer abwies, oder schlichtweg ausnutzte, mich zu gängeln.
Bei mir war das Kümmern nicht, "mir Lorbeeren für den Himmel verdienen zu wollen", ich bin tatsächlich der nicht vorhandenen Mutterliebe hinterhergelaufen, in der Hoffnung, sie vielleicht doch noch irgendwo zu finden.
Aber ihre Ablehnung mir gegenüber war noch tiefer, als ich jemals gedacht hatte. - Und ist es noch. Ihre Panzerung scheint noch dicker, als die Deiner Mutter. Trotzdem ahne ich auch, dass sei mich auf eine Weise liebt, selbst wenn sie mich beschimpft, mich ständig versucht öffentlich bloßzustellen.

Aber wie sich sonst die Bilder gleichen:
Ich bin früh fortgelaufen von zu Hause, hab mein eigenes Leben gelebt- mich allerdings nie entschuldigt- aber seitdem ich Kinder hatte ( jetzt 23 und 24) sahen wir uns regelmäßiger, wenn auch nur zu Feierlichkeiten und dabei auch zum Kartenspielen. - Keine wirkliche innere Berührung, bis zur Pflegesituation.

Die ersten Jahre viel Leiden bei mir, viel inneres Zurücknehmen, dann auch dieses Austeilen, dieses genau sagen wie es mir geht! Auch zanken, mit anfänglich großem Widerstand - und dann frei alles Niegesagte nachholen, Grenzen setzen! Ergebnis bei meiner Mutter allerdings: Sie ist bös! Hui, soo bös darüber! Zunächst jedenfalls. Sie will die alten Strukturen wiederherstellen, diese beibehalten! Aber sie kann nicht, weil ich mich ihr gegenüber geändert habe. - Also ändert sie sich auch.
Jedenfalls in vielen nervenaufreibenden Kleinigkeiten.

Parallel wird sie aber immer hilfloser und durcheinandriger... muss mehr betreut werden...

Ach Kathi, ich bin noch auf dem Weg!

Einen lieben Gruß,
Anjoli :blume1:
 
AW: kathis novembergeschichte

Liebe Kathi,

ich habe soeben Deine Geschichte in einem Stück gelesen, weil mich Ela in ihrer Antwort zu meinem Kommentar auf den Blogartikel "Hoffnung" darauf aufmerksam gemacht hat.

Auch ich bewundere Deine Offenheit, Dein Leben uns zu beschreiben. Ich habe im November 2007 ein psychisches Tief gehabt; vielleicht hätte mir Deine Geschichte geholfen, nicht erst am 2. Weihnachtstag daraus wieder herauszukommen. Und meine Mutter ist auch 88 Jahre, liegt mit schwerer Demenz, an den Rollstuhl gefesselt, im Pflegeheim.

Danke für Deine Geschichte!
 
danke

oh ihr lieben,
vielen dank für euer feed-back.
ich freue mich, dass ihr aus meinen worten etwas für euch nehmen konntet.

ich beschäftige mich ja schon so lange mit meinen wurzeln und meiner "lebens"-geschichte.
konkret arbeite ich seit einiger zeit mit hilfe von "familienaufstellungen" (im sinne der neuen wege von bert hellinger) an diesem thema. und da ist die beziehung zwischen mutter und kind das ganz ZENTRALE thema.
sozusagen der kernpunkt im einzelnen menschlichen leben.

--> es geht einfach nur darum, das, was war, so anzunehmen, wie es war. ohne es zu beschönigen - und ohne es zu verdrängen....einfach alles einmal sehen, wie es ist und wie es war.
--> dann den blick nach vorne richten, sozusagen in die unendlichkeit - in die höhere ebene unseres seins und von daher zu erkennen, dass wir menschen alle in gewisser weise an unsichtbaren fäden hängen - wie marionetten, die ihre rolle zu spielen haben. unsere eltern ebenso wie wir. und unsere großeltern ebenso wie unsere kinder.
all das ist eingebunden in etwas größeres, das wir als kleine rädchen nicht überschauen können - und doch tagtäglich am eigenen leib verspüren.

wenn wir das so richtig in uns aufgenommen haben, dann ist vergebung plötzlich möglich....und das hadern mit dem jetzigen sein hört allmählich auf.

so erlebe ich das.
doch es ist ein prozess. und dieser prozess braucht seine zeit.
mit hektik kommt mensch da nicht voran. aber mit geduld und vertrauen schon.
und mit liebe zu sich selbst, so wie man ist. :blume1:

euch allen sehr liebe grüße
kathi

p.s.: mir und meiner mama geht es sehr gut. sie schwindet ganz langsam aber innerlich zufrieden dahin. zwischen uns besteht nun eine übereinkunft und verbundenheit, die keine worte mehr braucht.
sie weiß, dass sie bald gehen wird.
und niemand weit und breit findet das schlimm....denn es ist unvermeidlich.
und so blicken wir alle in gewisser weise still und friedlich nach vorne - ohne reue und ohne angst.
 
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zwischen den zeiten

kleine frau
in deinem großen bett.
liegst hier
und denkst nicht mehr an morgen.
liegst hier
und schläfst.

müde bist du vom gestern und vom heute,
weißes köpfchen.
lächelst klein.

und bist jetzt schon dort,
wo du morgen hingehen wirst.​

der tod ist schon sehr nahe.
ich habe angst, dass uns beiden noch eine zeit der körperlichen anstrengungen bevorsteht....
bis jetzt war dies noch einigermaßen friedlich.

auch ich schwebe in dieser zwischenzeit.
jeder augenblick kann die veränderung bringen.
 
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