Ich hoffe, dass dieser geistreiche Artikel des Kabarettisten Jürgen Becker zum Evangelischen Kirchentag in Köln so verstanden wird wie er auch gemeint ist: mit einem typischen kölschen Augenzwickern wird da ein ernstes Thema angesprochen und ihm dadurch, neben manch kritischem Akzent, eine sehr menschliche Dimenssion und auch Nähe verliehen.
Es ist auch der Blick eines Kölners der sich immer wieder in seinem Kabarett mit dem befasst was er liebevoll aber auch ironisch der rheinische Katholizismus nennt.
Der Artikel ist in der heutigen Ausgabe des Kölner Stadt-Anzeigers erschienen.
Jürgen Becker: Köln wird evangelisch
VON JÜRGEN BECKER, 04.06.07, 20:33h
Ein evangelischer Kirchentag im katholischen Köln ist fast wie ein Pantomimenabend im Radio. Der altehrwürdige Marcel Marceau würde sicher auch das zu einem Erlebnis machen, aber das Problem wird klar: die fehlenden Bilder. Das fängt schon beim mageren Personenkult der Protestanten an: keine Heiligen an den Wänden, keinen weihrauchqualmenden Bischof im Pontifikalamt, keinen Papst, der winkend durch die Straßen fährt. Der Kölner aber liebt die farbenfrohen Umzüge und Feste, egal, ob den Rosenmontagszug, den Christopher Street Day, an dem die Lesben und Schwulen durch die Stadt ziehen, oder die Fronleichnams-Prozession, Hauptsache, d'r Zoch kütt!
Genau da schwächelt der Evangele und schaut sogar neidisch auf den Papst. Der kommt gut an mit seinem Papamobil. Karneval heißt Carrus Navalus. Der Karren der Narren, der Wagen der Bekloppten. Heute sind das Geländewagen. Das Papamobil ist ein Mercedes-Geländewagen mit Terrarium obendrauf. In Bayern hatte der Papst 500 000 Zuschauer, mehr als die Rolling Stones! Gut, der Papst ist ja auch jünger. Und in Bayern fühlte er sich auch wohler als in Köln, weil dort in den Kühlhäusern die Auferstehung des Fleisches wörtlich genommen wird.
Jetzt stellen Sie sich vor, beim Evangelischen Kirchentag in Köln würde die Landesbischöfin von Hannover, Margot Käßmann, oben auf dem Auto sitzend winkend über die Nord-Süd-Fahrt fahren. Da würde jeder rufen: „Die ist nicht angeschnallt!“
Dabei machen die deutschen Chefprotestanten Wolfgang Huber und Margot Käßmann durchaus etwas her. Das sind gebildete, schlagfertige, charismatische und sogar gut aussehende Menschen, denen man gerne zuschaut. Kardinal Meisner wirkt dagegen wie aus der Geisterbahn der Inquisition. Bei der Diskussion um neue Krippenplätze hatte man den Eindruck, Mixa und Meisner wollen die Frauen am Herd festketten - wobei die Kette bis in den Garten reichen darf. Einer muss ja das Unkraut wegmachen.
Hier können die Evangelen ohne Mühe punkten. Karrierefrau Käßmann ist mit ihren vier Töchtern da schon fast eine Ursula von der Leyen der Lutheraner. Allein es fehlen die öffentlichkeitswirksamen Bilder. Fast hat man den Eindruck, ihre Scheidung ist eine Verzweiflungstat. Wie sonst kommt man als evangelische Bischöfin auf die Titelseite einer Boulevardzeitung? Meisner schafft das, in dem er hanebüchenen Unsinn redet, Dutzende Male im Kirchenjahr.
Käßmann hat da allerdings sehr schlechte Karten, denn alles, was sie sagt, ist vernünftig. Das will von einer Bischöfin aber niemand hören oder lesen. Und auch wenn Papst Ratzinger als Intellektueller dauernd versucht zu beweisen, dass Vernunft göttlich und Gott vernünftig ist, seiner Popularität dient das nicht.
Die Kirche ist unabhängig von der Konfession eine Firma, die seit 2000 Jahren dasselbe Problem hat: Sie muss etwas verkaufen, was noch nie jemand gesehen hat. Da kommen sie mit Vernunft nicht weit. Da brauchen sie Fantasie. Und die wird beflügelt durch Bilder. Heilige, Schiffsprozessionen und Reliquien im Goldsarkophag. Eben da, wo die Worte fehlen.
Ob im Kölner Dom tatsächlich die Knochen der Heiligen Drei Könige liegen? Ob es den heiligen Christophorus am Armaturenbrett wirklich „in echt“ gegeben hat? Beides höchstwahrscheinlich nicht! Aber die Heiligen Drei Könige im goldenen Schrein waren für Jahrhunderte der Publikumsmagnet der Kölner und der magnetische Christophorus zwischen Licht und Scheibenwischerknopf unseres VW-Käfers der unangefochtene Airbag der sechziger Jahre. In unserer Fantasie haben alle wunderbar funktioniert.
Der Rheinländer ist ein Augenmensch. Zuhören fällt ihm schwer. Wenn, dann redet er lieber selber. Das Programm des evangelischen Kirchentages riecht schwer nach Zuhören. Der Erfolg aber hängt letztlich davon ab, welche Bilder er hinterlässt. Vielleicht schwingt sich Margot ja doch noch oben auf ein Automobil. Ich würde ihr zuwinken. Nein, zuprosten. Mit einer Flöns in der Hand. Und die Fantasie bildet sofort die heilige Dreifaltigkeit: Blootwosch, Kölsch un e lecker Mädche!
http://www.ksta.de/jks/artikel.jsp?id=1179819733008
Es ist auch der Blick eines Kölners der sich immer wieder in seinem Kabarett mit dem befasst was er liebevoll aber auch ironisch der rheinische Katholizismus nennt.
Der Artikel ist in der heutigen Ausgabe des Kölner Stadt-Anzeigers erschienen.
Jürgen Becker: Köln wird evangelisch
VON JÜRGEN BECKER, 04.06.07, 20:33h
Ein evangelischer Kirchentag im katholischen Köln ist fast wie ein Pantomimenabend im Radio. Der altehrwürdige Marcel Marceau würde sicher auch das zu einem Erlebnis machen, aber das Problem wird klar: die fehlenden Bilder. Das fängt schon beim mageren Personenkult der Protestanten an: keine Heiligen an den Wänden, keinen weihrauchqualmenden Bischof im Pontifikalamt, keinen Papst, der winkend durch die Straßen fährt. Der Kölner aber liebt die farbenfrohen Umzüge und Feste, egal, ob den Rosenmontagszug, den Christopher Street Day, an dem die Lesben und Schwulen durch die Stadt ziehen, oder die Fronleichnams-Prozession, Hauptsache, d'r Zoch kütt!
Genau da schwächelt der Evangele und schaut sogar neidisch auf den Papst. Der kommt gut an mit seinem Papamobil. Karneval heißt Carrus Navalus. Der Karren der Narren, der Wagen der Bekloppten. Heute sind das Geländewagen. Das Papamobil ist ein Mercedes-Geländewagen mit Terrarium obendrauf. In Bayern hatte der Papst 500 000 Zuschauer, mehr als die Rolling Stones! Gut, der Papst ist ja auch jünger. Und in Bayern fühlte er sich auch wohler als in Köln, weil dort in den Kühlhäusern die Auferstehung des Fleisches wörtlich genommen wird.
Jetzt stellen Sie sich vor, beim Evangelischen Kirchentag in Köln würde die Landesbischöfin von Hannover, Margot Käßmann, oben auf dem Auto sitzend winkend über die Nord-Süd-Fahrt fahren. Da würde jeder rufen: „Die ist nicht angeschnallt!“
Dabei machen die deutschen Chefprotestanten Wolfgang Huber und Margot Käßmann durchaus etwas her. Das sind gebildete, schlagfertige, charismatische und sogar gut aussehende Menschen, denen man gerne zuschaut. Kardinal Meisner wirkt dagegen wie aus der Geisterbahn der Inquisition. Bei der Diskussion um neue Krippenplätze hatte man den Eindruck, Mixa und Meisner wollen die Frauen am Herd festketten - wobei die Kette bis in den Garten reichen darf. Einer muss ja das Unkraut wegmachen.
Hier können die Evangelen ohne Mühe punkten. Karrierefrau Käßmann ist mit ihren vier Töchtern da schon fast eine Ursula von der Leyen der Lutheraner. Allein es fehlen die öffentlichkeitswirksamen Bilder. Fast hat man den Eindruck, ihre Scheidung ist eine Verzweiflungstat. Wie sonst kommt man als evangelische Bischöfin auf die Titelseite einer Boulevardzeitung? Meisner schafft das, in dem er hanebüchenen Unsinn redet, Dutzende Male im Kirchenjahr.
Käßmann hat da allerdings sehr schlechte Karten, denn alles, was sie sagt, ist vernünftig. Das will von einer Bischöfin aber niemand hören oder lesen. Und auch wenn Papst Ratzinger als Intellektueller dauernd versucht zu beweisen, dass Vernunft göttlich und Gott vernünftig ist, seiner Popularität dient das nicht.
Die Kirche ist unabhängig von der Konfession eine Firma, die seit 2000 Jahren dasselbe Problem hat: Sie muss etwas verkaufen, was noch nie jemand gesehen hat. Da kommen sie mit Vernunft nicht weit. Da brauchen sie Fantasie. Und die wird beflügelt durch Bilder. Heilige, Schiffsprozessionen und Reliquien im Goldsarkophag. Eben da, wo die Worte fehlen.
Ob im Kölner Dom tatsächlich die Knochen der Heiligen Drei Könige liegen? Ob es den heiligen Christophorus am Armaturenbrett wirklich „in echt“ gegeben hat? Beides höchstwahrscheinlich nicht! Aber die Heiligen Drei Könige im goldenen Schrein waren für Jahrhunderte der Publikumsmagnet der Kölner und der magnetische Christophorus zwischen Licht und Scheibenwischerknopf unseres VW-Käfers der unangefochtene Airbag der sechziger Jahre. In unserer Fantasie haben alle wunderbar funktioniert.
Der Rheinländer ist ein Augenmensch. Zuhören fällt ihm schwer. Wenn, dann redet er lieber selber. Das Programm des evangelischen Kirchentages riecht schwer nach Zuhören. Der Erfolg aber hängt letztlich davon ab, welche Bilder er hinterlässt. Vielleicht schwingt sich Margot ja doch noch oben auf ein Automobil. Ich würde ihr zuwinken. Nein, zuprosten. Mit einer Flöns in der Hand. Und die Fantasie bildet sofort die heilige Dreifaltigkeit: Blootwosch, Kölsch un e lecker Mädche!
http://www.ksta.de/jks/artikel.jsp?id=1179819733008