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Der Geist, der stets verneint

(Es wäre wirklich klasse, wenn man sich selbst als Person zurücknehmen könnte und nur über das Thema schreiben würde. Für alles andere gibt es doch diese Spaß- und Fun-Foren, wo man unter Gleichgesinnten Banalitäten austauschen kann. Alles hat seinen Platz und alles seinen Sinn. Ein Denkforum ist für Denker, die sich über Politik, Philosophie und Kunst austauschen möchten, keine Talkshow für Selbstdarsteller.)

Faust hat erkannt, dass ihm sein Studium über Philosophie, Jura, Medizin und Theologie nicht klüger gemacht hat. Sehr weise, denkt doch so mancher, er hätte die Weisheit mit dem goldenen Löffel gefressen, nur weil er ach so gebildet worden ist. Der Gescheite ist am Ende der Dumme, denn man tauscht die Plätze.

Wovon man nichts weiß, davon sollte man schweigen, doch der Mensch an sich hört sich zu gern selbst reden.

Faust ist so schön menschlich und meinem Herzen so nah.

Du gleichst dem Geist, den du begreifst - nicht mir, sagt der Geist zu Faust.

Wessen Geisteskind bist du selbst?
 
Zuletzt bearbeitet:
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Der Mensch verirrt sich in seiner Suche, da er das Ziel nicht kennt. Doch er sucht weiter im Dunkeln ohne zu wissen, was er eigentlich sucht. Dabei erkennt er die vor ihm liegenden Antworten nicht.

„Ein wenig besser würd’ er leben, hättest du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben; er nennt’s Vernunft und braucht’s allein, nur tierischer als ein Tier zu sein.“

Wenn wir von Punkt A nach Punkt B gehen wollen, müssen wir beide Punkte kennen und nicht nur einen. Wer eine Reiseroute plant, ohne zu wissen, wo er jetzt steht und wo er letztlich hinwill, wird zwangsläufig „ziellos“ auf seiner Reise herumirren.

So geht es auch dem Faust. Er sucht, er forscht und findet nichts, was ihn zufrieden stellt, was seine Begierde nach der Antwort befriedigen kann. Er wendet Regeln an, analysiert, berechnet und versucht logisch an die Dinge heranzugehen. Doch er irrt eigentlich nur herum und all die Antworten, die er bereits erhalten hat, ergeben keinen Sinn, da er sich nicht vorstellen kann, was dieser Sinn sein kann. Er kennt das Ziel nicht und wird es somit auch nicht finden.

Mephistopheles geht einen anderen Weg und lässt den Faust Erfahrungen machen, bringt ihn in alltägliche Situationen und lässt dann die Natur des Faust selbst sprechen. Dies bringt dem Faust letztlich mehr Erkenntnis als all die Theorien, mit denen er sich beschäftigt hat.

Die Schöpfung ist so offensichtlich, wenn man sie sucht, wenn man sie als das Ziel erkennt und sie offenbart sich jedem, der es zulässt.
 
Hallo louiz30 !

Endlich finde ich Mut, zu Deinem thread über Goethes Mephisto Stellung zu nehmen.

Mephisto:
Ich bin ein Teil von jener Kraft,
die stets das Böse will und stets das Gute schafft.
Jahre, wenn nicht Jahrzehnte geht auch mir dieser Satz durch den Kopf. "Jene Kraft" ist für mich der Mutterinstinkt; Mütter können - zumindest für ihre Kinder - nur etwas Gutes (im Sinne von Lebenserhaltendes) tun, egal welche Gedanken sie gerade haben. Mephisto - und ich habe Angst dabei, wenn ich ihm so viel Verständnis entgegenbringe - ist nun insofern ein Teil von dieser Kraft, dass er stets das Böse nicht nur will, sondern es auch tun kann, und zwar gegenüber jedermann. Nur Gott hat absolute Macht über den Teufel; der Teufel ist also, wenn Du so willst, das zweitmächtigste Wesen des Universums.

* Wer ist er nun, der Mephistopheles?
Habe ich, glaube ich, schon beschrieben.

* Steht er stellvertretend für den Menschen?
Schwere Frage; eher nicht. Ich nehme einmal an, dass es den Teufel bereits vor dem Menschen gegeben hat: Welchen Sinn hätte dann die Erschaffung des Menschen, falls Mephisto schon Mensch war ? Ich glaube eher, der Mensch steht zwischen Gott und Teufel, hat aber (von Gott) den freien Willen, sich für einen der beiden zu entscheiden.

* Welches Weltbild verbirgt sich hier?
Jedenfalls ein religiöses; Gott und Teufel bedingen sich gegenseitig wie Gut und Böse.

* Welches Bild des Universums liegt hinter dieser Aussage?
Muss ich mit einer Gegenfrage beantworten: Differenzierst Du zwischen Welt und Universum ? Wenn nicht, ist ja das Weltbild und das Universumsbild dasselbe. Wenn ja, wo steht dann unser Planet, die Erde ?

Liebe Grüße

Zeili
 
Seltsam - ich sehe mich nicht so, als dass in mir nichts Böses wäre oder ich nicht fähig wäre, etwas Böses auch zu tun.

Für mich steckt der Teufel in jedem Menschen, mit dem Unterschied, dass die einen es wahrhaben können und die anderen es vehement bestreiten. Es geht um die Erkenntnis, wer bin ich?, das Eingeständnis, ich bin nicht der, für den ich mich hielt und das Wunder: ich bin viel mehr, als ich dachte.

Wer zielorientiert seinen Weg beschreitet, dem wird alles, was am Wegesrand sich befindet, entgehen. Er wird die Schönheit nicht sehen, die neben seinem Weg steht und nur auf sein Ziel fokussiert sein. Das Ziel kann nicht ein einziger kleiner Punkt sein, das Ziel kann nur das Ganze sein.

Der Kampf, den Faust führt, hat jeder selbst zu kämpfen. Leider verlegen manche Menschen den Kampfplatz nach außen, wo sie andere bekämpfen, anstatt das Böse in sich selbst - was nicht wirklich das Böse ist, weil es ja Gutes schafft. Die Wertung (gut oder böse) entsteht aus dem falschen Wissensstandpunkt des Menschen heraus, welcher das Ganze nicht überblicken kann. Er hat nur das Vertrauen, das letztendlich alles zum Guten gereicht. Nur den Glauben - und zu glauben fällt so manchem schwer, einfach zu vertrauen und sich leiten zu lassen, von Augenblick zu Augenblick.
 
Hallo Niemand !

Seltsam - ich sehe mich nicht so, als dass in mir nichts Böses wäre oder ich nicht fähig wäre, etwas Böses auch zu tun.
Ich beziehe Deinen Beitrag einmal als unmittelbare Antwort auf meinen; falls das nicht der Fall ist, bitte aufklären. Es kann in unserer Zeit und in einer Demokratie nicht "seltsam" sein, wenn Dinge verschieden gesehen werden, sondern nur normal udn natürlich.

Für mich steckt der Teufel in jedem Menschen, mit dem Unterschied, dass die einen es wahrhaben können und die anderen es vehement bestreiten.
Für mich auch, niemand; ich spezifizierte mein statement aber auf die Mutter-Kind-Beziehung; falls Du jetzt eine Mutter bist, was ich ja nicht wissen kann und Du es nicht so empfindest, heißt das noch lange nicht, dass es bei keiner Mutter so ist. Du kannst auch der Ausnahmefall sein.

Es geht um die Erkenntnis, wer bin ich?, das Eingeständnis, ich bin nicht der, für den ich mich hielt und das Wunder: ich bin viel mehr, als ich dachte.
Ist nicht auszuschließen, dass Goethe so einen Hinweis geben wollte.

Der Kampf, den Faust führt, hat jeder selbst zu kämpfen.
Stimme ich Dir zu.

Leider verlegen manche Menschen den Kampfplatz nach außen, wo sie andere bekämpfen, anstatt das Böse in sich selbst - was nicht wirklich das Böse ist, weil es ja Gutes schafft.
Ist zum Teil auch realistisch; den zweiten Teil sehe ich nicht so kompliziert: ein Mensch hat - aus freien Stücken - eine Moral angenommen, dann gibt es Gut und Böse für ihn, sonst eben nicht.

Die Wertung (gut oder böse) entsteht aus dem falschen Wissensstandpunkt des Menschen heraus, welcher das Ganze nicht überblicken kann. Er hat nur das Vertrauen, das letztendlich alles zum Guten gereicht. Nur den Glauben - und zu glauben fällt so manchem schwer, einfach zu vertrauen und sich leiten zu lassen, von Augenblick zu Augenblick.
Mit dem "falschen Wissensstandpunkt" habe ich einige Probleme, ansonsten kann ich dem weitgehend zustimmen: Geht man von einem Schöpfer aus, hat dieser natürlich auch das Böse geschaffen.

Liebe Grüße

Zeili
 
Was ist eigentlich diese ewige Suche des Menschen?

Ich denke, dass im Mittelpunkt die Suche einer Antwort steht zu den Begriffen Gut und Böse. Dass der Mensch sich verirrt auf seinem Wege, wie du es formulierst Louiz, ist meiner Meinung nach zwangsläufig so - denn er weiss egentlich nur wie das Gesuchte sich nennt: Gut und Böse - doch was es ist, das muss er für sich selbst auf dem Wege zwischen A und B herausfinden.

Das Finden einer Antwort darauf wurde erschwert durch die Sekularisierung, durch die Aufklärung - und es wäre wenig sinnvoll in einer modernen Gesellschaft allgemein zu den Definitionen die die Religionen, besser gesagt die Kirchen, als Antwort dafür entworfen haben, zurück zu greifen.
Diese Antworten sind für manche gültig - und dies ist voll und ganz zu respektieren.
Es findet jedoch eine Entwicklung statt, eine Veränderung der Gesellschaft - und auch das Konzept des Bösen wird dabei anders definiert. Und eigentlich, bis auf weniges, gibt es das Böse herausgerissen aus seinem gesellschaftlichen Kontext, gar nicht. Sogar das Töten muss nicht à priori böse sein, wenn man dadurch einen Mörder oder einen Henker tötet.

Ich denke also, dass das Böse das ist, was in einer bestimmten Zeit in einer bestimmten Gesellschaft als solches gesehen wird. Mit anderen Worten: es ist Bestandteil einer Kultur, was als Böses betrachtet wird.

Um es aber noch ein weniger komplizierter zu machen: gibt es sie eigentlich noch die Kultur als Einheit? Meines Erachtens nicht, denn die Kultur der Mächtigen ist nicht deckungsgleich mit der Kultur der Unterdrückten, der Benachteiligten. Und dass man sich auf ein kirchliches Konzept nicht einigt, hat wahrscheinlich u.a. auch diese unterschiedlichen gesellschaftlichen Positionen als Ursache. Man würde sich dabei auf eine Definition einigen, doch wie soll das denn möglich sein, wenn die Begleitumstände der Ereignisse nicht für jeden die gleichen sind?

Ein ganz anderer Punkt den ich noch erwähnen möchte: die Idee, dass Faust und Mephisto eigentlich die zwei Facetten einer Einheit sind und nicht getrennte Gegenparts, wurde in einer Oper von Louis Spohr musikalisch umgesetzt - seine Oper Faust (etwa um 1840 komponiert) ist leider wenig gespielt und wurde vor einigen Jahren in Köln aufgeführt.
 
Widerspruch:

Das Böse schafft der Mensch sich selbst, indem er *irgendetwas* als Böse definiert (für den einen ist dies böse, für den anderen jenes, für den einen ist dies gut, für den anderen jenes).

Schöpferisch gesehen gibt es gar nichts Böses, also keine Wertung, da alles Sinn macht und den Sinn in sich selbst trägt.

Ja, ich bin Mutter und ich bin auch Mensch. Voller Fehler und der ganzen Palette Irrsinn und Wahnwitz, manchmal auch ganz lieb und ganz nahe an der göttlichen Wand horchend. Ich bin alles und ich bin nichts.

Mich fasziniert an Faust die Widersprüchlichkeit, die Nähe zum Wahnsinn und die Genialität, die sein Schöpfer Goethe ihm verliehen hat. Sind nicht alle Personen auch in uns selber zu finden? Haben wir nicht Teil an allem - auch an dem, wovon wir uns am liebsten distanzieren möchten?

*Woraus ein Trunk den Durst auf ewig stillt?
Erquickung hast du nicht gewonnen,
wenn sie dir nicht aus eigener Seele quillt*

Das Lesen von Millionen Büchern wird niemanden klüger machen.
Aus der eigenen Seele gilt es zu schöpfen, damit die unersättliche Gier gestillt werden kann; das Übermaß der Gedankenflut, die unseren Faust nicht ruhen lässt, bringt ihn nicht weiter. Ein ewiger Kampf, wenn er gegen das Böse geführt wird, weil das Böse nicht zu besiegen ist. Die Lösung wäre weit über das Böse und Gute hinaus zu sehen und nicht inmitten darin stecken zu bleiben. Dualismus ist ein Perpetuum mobile. Es füttert und nährt sich von selbst.

Faust sucht Glück ohne Unglück usw. Darin verstrickt er sich, wie in der Spinne Netz und wird verschlungen als fette Beute des Wahnsinns (so wie wir alle, die wir nicht wach sind, sondern schlafend).
 
Ich neige auch der Ansicht zu, dass Mephistopheles als Teil einer Kraft, die am Anfang alles war, nicht Mensch sein kann. Wenn diese Kraft am Anfang alles war, dann muss sie sich später geteilt haben, was der biblischen Geschichte entsprechen würde. In diesem Sinne gibt es für den Mephistopheles also das dualistische Prinzip, in dem er sich als einen Teil ansieht, nämlich dem Teil des Bösen oder was wir Menschen darunter zu verstehen glauben.

„So ist denn alles, was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz das Böse nennt,
mein eigentliches Element.“

Mehr noch verstehe ich ihn als einen Mittler zwischen diesen Polen, einer, der die Grenzen überschreitet. Er spricht mit Gott und er spricht mit Faust, er ist die eigentlich verbindende Figur des Dramas.

Dieses dualistische Prinzip durchzieht unser Universum und ist überall zu finden. Es hat sich nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in verschiedenen Kulturen und Philosophien als Ying und Yang, als Gut und Böse, als weiblich und männlich oder als Sein und Nicht-Sein manifestiert. Auch die Wissenschaft geht davon aus, dass es für jede Kraft eine Gegenkraft gibt, etwas, wodurch das gesamte System zusammen gehalten wird.

So ist Mephistopheles als Teil der Kraft zu verstehen, die das Ganze ist und von der er nur ein Teil ist. Diese Kraft beinhaltet daher beides, das Gute und das Böse, und somit generiert diese Kraft auch beides. In diesem Sinne wird man auch, wie „niemand“ davon ausgehen dürfen, dass die beiden Gegenspieler, nennt man sie nun Gut und Böse, in allem wirken und damit auch in allem, so auch dem Menschen, vorhanden sind.

Der Mensch beschäftigt sich jedoch zu sehr mit der für ihn sichtbaren oder begreifbaren Polarität, also individuell mit den einzelnen Kräften, die doch nur wiederum ein Teil des Ganzen sind. So kann der Mensch letztlich doch nur ein Verständnis erringen, wenn er sich dem Ganzen und damit der Schöpfung zuwendet. Die Frage nach dem Gut und nach dem Böse wird damit eigentlich obsolet.

Einen solchen Zustand hat die Wissenschaft mit der Singularität festgestellt, einem Zustand also in dem es keine Zeit mehr gibt, in dem die Gesetze der Physik aufhören zu existieren und alles in einer einzigen Einheit gefasst ist. Und genau da hört die Wissenschaft auf, da sie sich dies nicht mehr erklären kann.
 
Wie definierst du Mensch?

Wie definiert sich der Mensch selbst?

Ich stelle die Frage jetzt mal ganz doof: Gibt es überhaupt Menschen?

Klar, sagen die einen, schau doch, die laufen alle da draußen herum.
Nein, sagen die anderen, es gibt nur den Stoff, der alles zusammenhält und die Definitionen (Dies hier ist Tisch, jenes dort Stuhl und siehe, ein Mensch oder ein Tier). Es sind die Vorstellungen von dem, was wir wahrnehmen, inclusive die Vorstellung von uns selbst.

Faust verzweifelt an den Dingen, die seinen Verstand übertreffen:
*Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube*.

Der Mensch hat nicht das Wissen, immer nur den Glauben und das Vertrauen.

*O glücklich, wer noch hoffen kann
Aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen!
Was man nicht weiß, das eben brauchte man,
Und was man weiß, kann man nicht brauchen*

Die Passage über den Pudel finde ich genial, ist es nicht auch mit den Menschen so?

*Du hast wohl recht, ich finde nicht die Spur
Von einem Geist, und alles ist Dressur*

So denkt der Mensch, er würde denken und folgt doch nur seiner Dressur. Faust, ein Aufwachender, erkennt dies und benutzt wunderbare Vergleiche.

*Die Lampe freundlich wieder brennt,
Dann wird's in unserem Busen helle,
Im Herzen, das sich selber kennt.
Vernunft fängt wieder an zu sprechen,
Und Hoffnung wieder an zu blühen*

Das Herz, der Wesenskern von allem, was ist - kennt sich selbst. Sie darauf zu verlassen ist mehr, als Bücherwissen. Es ist die Hoffnung, die uns am leben hält.

*Wir sind gewohnt, dass die Menschen verhöhnen,
Was sie nicht verstehen*

Nun sucht er wieder, seiner Fixierung folgend (sich Wissen anzueignen, die Welt zu durchschauen) im Testament, versucht den Sinn zu verstehen vom: Am Anfang war das Wort.

Warum belässt er es nicht einfach so? Gibt es denn in der menschlichen Sprache für alles ein Wort? Gibt es denn nicht Etwas, für das eben kein menschliches Wort ausreichen würde, weil es so hoch über den Menschenverstand steht? Wir können uns gar kein *Bild* oder *Wort* von dem machen, was umso Vieles größer ist, als wir selbst. Unser Herz kennt das, doch das spricht eine Sprache ohne Worte.

Faust übersetzt *Wort* mit *Tat*, was in meinen Augen noch mehr Verwirrung stiftet. Im Anfang war die Tat, die Kraft, das Etwas, das Bild, das Wort. Da war etwas...am Anfang...das größer ist als alles, was wir jemals erfassen können.

Ich wage dann zu schreiben:

Für mich sieht es so aus, als würde Goethe beschreiben, wie Faust in der Begegnung mit Mephistopheles die Konfrontation mit seinem eigenen (bösen) *Ich* erfährt. Wir würden in der heutigen Zeit die Sprache der Psychologie verwenden, damals, wie auch aus Märchen bekannt, arbeiteten die Schriftsteller mit Personifizierungen in Menschengestalt oder Geistwesen.

Ich liebe diese Stelle, an der Mephistopheles Faust aufklärt:

*Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt,
Gewöhnlich für ein Ganzes hält -
Ich bin ein Teil des Teils. der anfangs alles war,
Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar,
Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht
Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht,
Und doch gelingt's ihm nicht, da es, so viel es strebt,
verhaftet an den Körpern klebt,
Von Körpern strömt's, die Körper macht es schön,
Ein Körper hemmt's auf seinem Gange,
So hoff' ich, dauert es nicht lange,
Und mit den Körpern wird es zugrunde gehen.*

Eine wunderbare Stelle, die so viel beinhaltet und ausdrückt. Der dumme Mensch, der sich in seinem Wahnsinn für etwas hält, das er gar nicht ist und sein wahres Selbst verkennt. Der zugrundegehende Körper muss sterben, damit der Mensch die Wahrheit erfährt und seine Scheinwelt zerbricht. Goethe lässt Faust sich winden und quälen (so wie auch der Mensch es tut, der wirklich sucht - nicht nur so zum Zeitvertreib oder anläßlich eines egoistischen Selbstverwirklichungswunsches).

War das mal eine Lenor-Werbung, wo das Gewissen der Frau sich abbildete und zu ihr sprach? So ähnlich sehe ich Faust und Mephistopheles und alle anderen auftauchenden Figuren, allesamt als personifizierte Ich-Formen (Triebe, Wünsche, Intelligenz, Geist usw.) des Faust. Er setzt sich mit seinem Innenleben auseinander, kämpft um Klarheit und Verständnis, mit sich selbst.
Herz und Verstand ringen auf Leben oder Tod miteinander.

Das Gute daran, man kann es nicht an einem Tag verschlingen, es bedarf der kleinen Bisse. Der Mensch in seiner Gier wird an den Rand der Verzweiflung getrieben beim Lesen und sein Verstand kollabiert.
 
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Die Frage, ob es etwas, so auch den Menschen, gibt ist wohl philosophisch gesehen, berechtigt und doch sollte man hier verschieden Aspekte unterscheiden.

* Ist das Objekt/Subjekt existent?
* Wie sehe ich es?
* Wie ordne ich es ein?

Was wir sehen ist, meiner Ansicht nach, auch existent. Ob es jedoch genau das ist, was ich mir darunter vorstelle, ob ich es in seiner Gesamtheit sehe und ob es von mir richtig in den Kontext eingeordnet wird, das sehe ich sehr zweifelhaft.

Wir leben und denken subjektiv und sind daher eingeschränkt. Auch haben wir nicht die Möglichkeit, die Dinge von allen Seiten und allen Aspekten aus zu betrachten und nehmen daher logische Schlussfolgerungen vor, die in sich richtig oder falsch sein können, jedenfalls sind sie nicht zuverlässig. Wir sind daher von unserer Art zu denken geprägt und versuchen alles in dieses Schema zu bringen, da uns ansonsten das Verständnis fehlen würde und wir uns noch mehr verlassen fühlen würden.

Ich beziehe mich da nochmals auf Hegel. In seinem Buch "Phänomenologie des Geistes" schreibt Georg W. F. Hegel: "Diese reine Unmittelbarkeit geht also das Anderssein des Hier als Baums, welches in ein Hier, das Nichtbaum ist, das Anderssein des Jetzt als Tages, das in ein Jetzt, das Nacht ist, übergeht, oder ein anderes Ich, dem etwas anderes Gegenstand ist, nichts mehr an.“

Die Realität ist situationsgebunden und vom Standpunkt des Betrachters abhängig und nur durch eine Befreiung von starren Denkmustern und eine Hingabe an die Unsicherheit, dass alles auch anders sein könnte, haben wir eine Möglichkeit, Dinge zu verstehen. So hat auch Einstein einmal gesagt, dass eine Theorie nicht mit demselben Denkmuster zu widerlegen ist, mit der sie geschaffen wurde.

Wie du, niemand, bereits gesagt hast, darin liegt das Problem des Faust. Er versucht die Schöpfung in bestehende Denkmuster zu bringen, versucht ihnen Namen und Begriffe zu geben und scheitert an der Vielfältigkeit der Möglichkeiten.

Mephistopheles lässt ihn sehen, fühlen, empfinden und leiden. Erst durch diese Einbindung in den Kreislauf der Schöpfung, erst durch das Teilhaben an den Dingen beginnt Faust wahre Erkenntnisse zu schöpfen und wird sich seiner selbst als Teil der Schöpfung bewusst.

Auch Erich Fromm beschreibt diese Diskrepanz, den Fakt, dass der Mensch durch das Bewusstsein sich selbst nicht mehr als Teil der Natur begreift und stetig versucht seinen Platz im Universum zu finden. Sein Gefühl „the freak of the universe“ zu sein, macht ihn unglücklich und deprimiert, verursacht ein Gefühl des Hineingeworfenseins, der Hoffnungslosigkeit und der Ratlosigkeit. Er muss daher immer weiter nach Lösungen suchen, die seinem Denken entsprechen und die ihn von dieser Hoffnungslosigkeit und Verlorenheit befreien.

„Hättest du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben“ drückt dies deutlich aus und auch „wenn der Mensch die kleine Narrenwelt ...“. Der Mensch kann sich nicht mehr als Teil der Schöpfung sehen, nicht als Tier, das sich weiter entwickelt hat und doch nichts anderes ist als Tier und Pflanze. Aber dort liegen seine Ursprünge, dort liegen die Antworten und somit begegnen sie dem Menschen jeden Tag.

Faust kann dies zunächst nicht erkennen, er kann nicht sehen, dass auch er, wie Mephistopheles, nur ein Teil von jener Kraft ist, dass auch er ein Teil des Ganzen ist. Würde Faust die Wissenschaften nur dazu benutzen, um zu sehen, wie die Schöpfung verläuft und würde er nicht dem Wahn verfallen, dass sich von dem „wie“ auf das „warum“ schließen lässt, dann würde ihm die Wissenschaft einen Dienst leisten. Das genau tut er aber nicht und so läuft er dem falschen Gott hinterher.

Faust lernt Demut, er lernt sich als Teil zu sehen und muss dafür leiden, hat Freude und Verzweiflung. Erst in diesen Situationen wird ihm sein Menschsein und damit das Ganze bewußt.
 
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