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Denkmal

Lonelylady

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23. November 2005
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90
Denkmal


Ich bin ein Denkmal, ein auf einem Sockel errichtetes Denkmal.
Ich befinde mich zwischen vielerlei neuer moderner Häuser, welche immer weiter wachsen.
Ich jedoch, oder besser mein Standbild, mein auf ein Sockel erhobenes Standbild, jedoch ist denkmalgeschützt und weiträumig abgesperrt.

Sie lachen, sie jubeln und kreischen. In der einen Ecke wird aufgeräumt, man schafft Platz für neues Leben. Auf der anderen Seite des Forums widerrum werden alte Häuser eingerissen und deren Trümmer weggekahrt, um neuen Glasheimen zu weichen. Gardinen gibt es keine in den Fenstern.

Jeden Tag kann ich beobachten, wie alles um mich herum wächst.
Mal wird etwas eingerissen, jedoch entsteht an selber Stelle sogleich wieder etwas neues.
Ich jedoch werde nicht restauriert und muss an der Haut und im Innersten miterleben, wie ich zerfalle. Der Marmor bröckelt, die Fassade fällt.

Geneigte Leser werden sich fragen, von welchem Ort die Rede ist.
Geneigte Leser brauchen nur einmal vor die Tür zu gehen, die Augen zu öffnen und man mag es kaum glauben, geneigte Leser waren blind und können vielleicht, aber nur vielleicht, sehen und das nur, wenn sie im Schatten stehen.


Niemand macht sich die Mühe die Umzäunungen zu überqueren, die Kraft aufzuwenden zu mir auf den Sockel zu gelangen, um mich zu restaurieren, mir Gesellschaft zu leisten. Zu viel Aufwand würde es kosten, zu viel Zeit um ein auf einem Sockel errichtetes Denkmal zu restaurieren.
Doch wer hat mich in diese Position erhoben?
Wer mich von allem Wachstum abgegrenzt?

Das Forum des Lebens ist von bunten Gestalten gesäumt. Einen einzigen Schatten wirft ein riesiges Denkmal, welches inmitten allen Treibens star und stumm welkt. Ob es ihr König, Kaiser Papst oder Gott selbst ist, wer weiß das schon...

Warum kommt niemand und will neben mir wachsen?
Warum möchte niemand mich restaurieren?
Warum blicken sie nur aus der Ferne zu mir auf?
Warum?
Mein Schatten zieht sich wie ein Höllenfeuer über die bunten Gestalten. Jeder, der in jenen gerät, hält einen Moment inne, schaut zu mir hinauf, rennt dann jedoch von Panik erfasst weiter, befor er wieder fröhlich lächelnd in die Sonne tritt. Was hat man ihnen angetan, was ihnen versprochen, dass sie mit solcher Blindheit geschlagen sind und es nicht einmal wagen zu blinzeln?

Ein Trupp liebloser Dinge bewegt sich auf das Denkmal zu, immer darauf bedacht, ja nicht in dessen Schatten zu geraten. Wenige Stunden später erinnert nur noch ein Riss im Boden an die letzte Hoffnung. Wo Licht ist, da gibt es auch Schatten. Das Forum widerlegt diese Aussage in ihren Grundpfeilern. Alle lachen, singen, die Sonne scheint. Überall Häuser, gläsern, nirgendwo dunkle Ecken.
Die Menschen sind glücklich, obwohl sie Unglück nie kennen gelernt haben.


ENDE


Mich würde eure Meinung und, was ihr in dieser Geschichte seht, sehr interessieren. Um nichts vorwegzunehmen, werde ich vorerst nichts dazu sagen.
 
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