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Das deutsche Gesundheitssystem

Wenn eine Pflegerin auf Weisung des diensthabenen Arztes einem älteren Patienten Medikamente verabreicht, von denen sie weiß, dass sie den Patienten zum Pflegefall machen, macht sie sich dann mitschuldig oder tut sie nur ihre Pflicht?
 
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Sorgfaltspflichten als Rechtspflichten sind sozialadäquat und sorgfaltsgemäß abzuwägen.
Wenn eine Pflegerin auf Weisung des diensthabenen Arztes einem älteren Patienten Medikamente verabreicht, von denen sie weiß, dass sie den Patienten zum Pflegefall machen, macht sie sich dann mitschuldig oder tut sie nur ihre Pflicht?
Eine juristisch wahrhaft heikle Angelegenheit. Die Ansichten - hier zu § 13 StGB - gehen auseinander. Im Rahmen eigener familiärer Betroffenheit habe ich schon einmal zur *Garantenstellung aus Ingerenz bei vorsätzlichem Fehlverhalten* recherchiert und kann Folgenes (durch 2 Meinungen Dritter) zur Diskussion beisteuern:

Ansicht 1: Jede Vorhandlung, die die Gefahr eines Schadenseintrittes erhöht, also auch sog. erlaubte Risikovorhandlungen, begründet eine Garantenstellung aus Ingerenz (Freund JuS 1990, 213 ff.; Herzberg JZ 1989, 986 ff.). Eine darüber hinaus gehende Pflichtwidrigkeit ist nicht erforderlich. Dass man für die Folgen jeglicher gefahrerhöhender Handlungen einzustehen habe, ergebe sich bereits aus einem allgemeinen Verantwortungsgefühl.

Ansicht 2: Nur ein pflichtwidriges Vorverhalten kann eine Ingerenz-Garantenstellung begründen (Schönke/Schröder/Stree/Bosch StGB, 29. Aufl. 2014, § 13 Rn. 35 f.; Roxin Strafrecht AT II, 2003, § 32 Rn. 160 ff.). Ein solches ist bei der Missachtung einer Vorschrift anzunehmen, welche gerade dem Schutz des betroffenen Rechtsgutes dient (BGH NStZ 2008, 276 f.). Wer sich hingegen sozialadäquat bzw. sorgfaltsgemäß verhalte, könne nicht zur Gefahrabwendung verpflichtet werden. Ferner sei erforderlich, dass sich die Pflichtwidrigkeit des Verhaltens im eingetretenen Erfolg niedergeschlagen hat (Nomos Kommentar StGB/Wohlers/Gaede, 4. Aufl. 2013, § 13 Rn. 44; Kühl Strafrecht AT, 8. Aufl. 2017, § 18 Rn. 102; gegen das Erfordernis eines Pflichtwidrigkeitszusammenhanges im Rahmen der Ingerenzgarantenstellung aber BGHSt 34, 82 ff.; BGH NJW 2000, 2754 ff.).

Da mir selbst gerade deswegen auch keine öffentliche Rechtsberatung - auch nicht pro bono - erlaubt ist, unterlasse ich hier lieber aus gesundheitlichen Gründen sämtliche weitere (kontradiktionäre) Ausführungen, da sie sehr wahrscheinlich "untunlich" wären.....:D

Ganz im Ernst: Alle menschlichen Schicksale sind Einzelfälle und jeder Einzelfall stellt sich anders dar. Natürlich scheint dabei derjenige im Vorteil, der sich bestmöglich zu artikulieren vermag und ohne dass ihm "der Gaul durchgeht", also ohne dass er die Selbstbeherrschung verliert....

Im richtigen Leben ist eben nicht immer alles so wie es scheint, sondern so wie es ist...

Bernies Sage (Bernhard Layer)
 
Eine der letzten Situationen in der Klinik entstand, als meine Schwester kurz vor einer OP stand und ich die Ärztin fragte, ob ich sie am Wochenende mit nach Hause nehmen dürfe, denn sie habe Geburtstag und die OP finde eh erst am Montag statt. Sie meinte, sie würde die
Pflegestation gleich informieren, dass man die Medikamente fürs
Wochenende zusammen stelle. Sie hatte schon im nächsten Augenblick
wieder vergessen, dass sie die Pflegestation anrufen muss. Intellektuelle Überforderung? Der Anruf der Ärztin kam dann 45 Minuten
später, in denen ich vor der Pflegestation wartete, in der ein lautes, unproduktives Treiben herrschte. Viel Personal, wenig konstruktives Arbeiten. Als ich dort ankam, stand ein anderer Mann meines Alters allem Anschein nach schon längere davor und wartete. Er war über 100 km angefahren, um sich um seine Schwester zu kümmern. Er lästerte laut über den Sauhaufen, den er da vor sich sah, dass in jeder seriösen Firma diese Leute keine zwei Tage überleben würden. Als die Pflegerin
schließlich die Tabletten für meine Schwester bereitlegte, brauchte sie dafür 25 Minuten (Ich hätte das in 2 Minuten gemacht). Sie wurde noch nicht einmal unterbrochen, stellte sich aber extrem dumm an. Klar, dass man bei solchem Leistungsgrad nie genug Personal hat. Wenn sie so ihren eigenen Haushalt führt, dann braucht sie fürs Tischdecken Abendbrot
mindestens bis 23 Uhr.
 
Als aus meiner Familie mal jemand im KH war, hatte er nach wenigen Tagen 2 dicke, blaue Arme vom "Zugang legen probieren". Irgendwann kam der Stationsüberoberhauptarzt und obwohl ich meine Erfurcht vor Ärzten nicht aus Krankanhausserien herleite, schaffte er es beim ersten Versuch und völlig problemlos. Beim Abschlussgespräch hab ich als Abholer und Beisitzer fast nichts verstanden, das lag nicht etwa an der überlauten Tanzmusik oder an meinem Barolo-Pegel, eher an der ortsüblichen Landessprache, über deren Sorte einige Intelektülle hier sicher auch einzwei Stündchen philosophieren würden.

Das Problem ist m.E. der Rentabilitätszwang der Kliniken. Bettenauslastung, Apparateauslastung und Personalkosteneinsparung sind keine geeigneten Kriterien für das Gesundheitswesen. Mein Verwandter machte etwa 20 Untersuchungnen mit und es ist kein schlechter Krokodilsscherz, dass er zwischendurch sogar beim Neurologen saß, bzw. Magen- und Darmspiegelungen über sich ergehen lassen musste,
deren Zusammanhang mit der Erkrankung einigen Humor oder aber extremen, medizinischen Winkel-Scharfsinn verlangt.

Am Personal würde ich hier jedoch nicht herumnörgeln, das Problem sind die Steuerungsmechanismen, die beim Thema Nahrungsmittelerzeugung, Krankenbehandlung oder Kinderversorgung ungeeignet sind. Die erzeugen automatisch diesen Irrsinn.
 
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Die Ökonomisierung im Gesundheitswesen
macht aus unseren Krankenkassen ' Geistes-Krakenkassen'
mit derzeit '110 gesetzlichen Armen'
zur vorgeblichen Abwürgung eines Systemrückversicherungsbetruges,
selbstlegitimiert über 12 Sozialgesetzbuchhalter...

Bernies Sage (Bernhard Layer)​
 
Zuletzt bearbeitet:
Also ich finde so eine Pauschalverurteilung wenig zielführend.
Zunächst einmal: ja man verweigert es ein Medikament von dem man weiß, dass den Patienten zum Pflegefall macht.
Ärzte sind keine Halbgötter in weiß, man darf widersprechen.
Wir arbeiten mit Ärzten zusammen. Stationär hat das bedeutet, dass wir mit ihnen zusammen saßen und Veränderungen unser Senioren beschrieben haben. Und er sie natürlich auch untersucht hat.
Von anderen Ärzten haben wir den Angehörigen und Bewohnern dann auch schon mal abgeraten.
Aber gut, ich spreche hier erst einmal nur für eine Situation von vielen, in einem Seniorenheim.
Man ist nicht Sklave des Arzts und darf und muß den Kopf benutzen. Dafür gibts eine Ausbildung.
Mich würde aber interessieren, was für ein Medikament das gewesen sein soll und bei welcher Vorerkrankung es aus welchem Grund verabreicht wurde.
Dann ist das ganze Thema ziemlich komplex und hängt stark mit dem ganzen System Pflege ( hier in Deutschland) zusammen. Und damit das Pflegekräfte sich oft nicht wehren.
Der Leistungdruck bewirkt dann auch, dass schnell sein alles ist.
An mir zum Beispiel kann jeder Blut abnehmen. (ok einen angehenden Arzt hatte ich mal der hats nicht hinbekommen, also daneben gestochen, der hatte aber auch nur einen Versuch) Gute Venen. Zugang legen: das Gleiche. Aber die oder der Gleiche der mich nur anpiksen muss, hat beim nächsten Patienten Probleme. Manchmal sind die Venen zu, manchmal rollen sie weg. Das hat man ja nicht ständig und das ist dann leider Übungssache. Man kann ja wohl nicht jedem entlassen der das nicht sofort kann- mancher hat auch andere Talente.
Schlimm am Ganzen war jedoch( warum immer es nicht geklappt hat), dass man zu lange gewartet hat, bis man das "Blutabnehmtalent" geholt hat. Und ja das gibt's tatsächlich, das ist manchmal auch einfach nur eine Schwester.
Dann die vergessliche Ärztin:
Mich nervts auch, wenn ich vergesen werde oder irgendwas unter den Tisch fällt. Nur:
Das Problem ist hier nicht, dass die alle doof wären, sondern die ständige Unterbesetzung und das ständige Überstunden anhäufen, die manch einem einfach entgeht.
Wer wie schon wie lange die Schwester, der Pfleger oder der Arzt das letzte Mal einen freien Tag hatte.
Pflegekräfte sind oft völlig überarbeitet.
Die Sitation in de Notaufnahme schaut oft so aus, dass da nicht nur Notfälle hinkommen. Sondern auch Leute die nicht mehr zum Arzt können, weil die Praxis zu hat. Oder Leute die so schneller an ein CT kommen wollen. Und wenn jemand vorgezogen wird, weils dem eindeutig schlecht geht, kann es duchaus sein, dass ein Patient klagt, selbst wenn er nur eine Magenverstimmung hat. Oder er wird nur den nächsten Arzt den er zu fassen kriegt von der Arbeit abhalten um sich zu beschweren.
Das ist also alles nicht so einfach, sondern inzwischen total verfahren.
 
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