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Credo

AW: Credo

Ich finde diese Frage höchst interessant. Was hat der evangelische Bach in der röm.-kath. Messe verloren? Das ist mir vorher nie bewusst gewesen.

Die röm.-kath. Kirche übernimmt da ja offenbar wirklich etwas aus einer "Raubkopie" ihrer selbst.

Komisch. Weiß dazu jemand Fakten, wann dieser Import stattgefunden hat? (Immerhin hat die röm.-kath. Kirche z.B. die Erfindung und Verbreitung der Notenschrift stark vorangetrieben, um sicherzustellen, dass in der Messe überall das Gleiche gesungen wird. Sie weiß also wirklich, was sie tut.)

Wie kam da Bach hinein?

lg Frankie

"Raubkopie" - das Wort gefällt mir. Ich bin kein Theologe, ich kann aber als Sänger sagen: der "moderne", im heutigen deutschen (ich weiß nicht, wie es in anderen Ländern gehandhabt wird) katholischen Gottesdienst gepflegte Liedgesang der Gemeinde geht der Form nach auf eine reformatorische Praxis zurück; während aber in evangelischen Kirchen das originale geistliche Liedgut des 17. Jahrhunderts gepflegt wird, das eindeutig von den Nöten zur Zeit des Dreissigjährigen Krieges spricht, behilft man sich im katholischen Gesangbuch mit nachempfundenen Melodien aus dem frühen 19. Jahrhundert. Ohne daß man die Eindringlichkeit der großen Luther-Choräle - "Wachet auf, ruft uns die Stimme", "O Mensch, bewein dein Sünde groß" - je erreicht hätte.

Jedenfalls dürfte die Einführung des Gemeinde-Liedgesangs in den Gottesdienst das Verdienst des kontrapunktisch wenig beholfenen, aber melodisch und rhythmisch genialen Komponisten Martin Luthers sein.

Mag sein, daß von Katholiken da etwas aufgenommen wurde - der reformierte Liedgesang jedoch redet immer nur von der Hungersnot, davon, daß ich mich drein schicke, davon daß ich auf Erden keine Zukunft habe - letztlich von der Situation der Menschen im Dreissigjährigen Krieg.

Fakten:
Wir können nur die Entstehungsdaten der Lieder vergleichen. Interessanterweise gab es nach der Reformation kein Konzil im Vatikan, das eindeutig beschlossen hätte, welche Lieder man singen darf, obwohl doch gerade vom Vatikan her eine eindeutige Stellungnahme zu erwarten gewesen wäre. Ich persönlich kann nur feststellen, daß selbst in der Messe die primitivere Form des einstimmig gesungenen, orgelbegleiteten Liedes an die Stelle des unbegleiteten, mehrstimmigen Chorals getreten ist - und zwar genau ab dem Punkt, wo die Musik der reformierten Kirche die Mehrstimmigkeit für sich entdeckte - Ende des 16. Jh.

Und da beginnt eine Musikentwicklung, für die wir heute Heinrich Schütz und J.S.Bach als Großmeister ansehen. Die bedeutet: alles plakativ grell angemalt; das, woran zu glauben wäre, in den Dreck gezogen (bei Schütz) und bestenfalls in seiner Entstellung als Mahnung zu sehen; oder aber, genauer, in Bachs Johannespassion, das ganze Leidensmysterium Christi als Fegefeuer menschlicher Eitelkeit dem Volk (uns also) wieder und wieder zu gegenwärtigen.

"Wie kam Bach da hinein?"
Besser, wie kam er da heraus. Die Johannespassion, obwohl monströs, folgte noch der (protestantisch) gewollten und im Rahmen des Gottesdienstes üblichen Form. Die letztendliche konsequente theologische Umstellung - nämlich daß der Gläubige keiner Kirche bedürfe, sondern in seiner Meditation, dem Gebet, direkt mit Gott sprechen könne - wird von Bach dann in der Matthäuspassion vollzogen.

Es wäre aber ein für uns erbärmliches Resultat, wenn wir uns diesen ursprünglich jüdischen Gedanken des unmittelbaren Gesprächs mit Gott erst durch den zweifachen Umweg über die Kirche oder die Musik verstellten.

Aber wir machen das so.
 
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AW: Credo

Es wäre aber ein für uns erbärmliches Resultat, wenn wir uns diesen ursprünglich jüdischen Gedanken des unmittelbaren Gesprächs mit Gott erst durch den zweifachen Umweg über die Kirche oder die Musik verstellten.

Aber wir machen das so.
Übereinstimmung; jeder Mensch soll immer das Recht haben, mit "seinem" Gott zu kommunizieren, auch ohne vorher irgendeine religiöse Schrift gelesen zu haben.

Liebe Grüße

Zeili
 
AW: Credo

Ich glaube an einen Gott.

Ich atme, ich singe.

Ich singe lieber eine Messe von Monteverdi als eine von Anton Bruckner.

Ich singe lieber in kleinen Gruppen denn in großen Chören.

Ich bin zur Katholischen Kirche gegangen, weil ich zu recht hoffte, daß dort der Glaubensgewißheit sicherer Ausdruck verliehen wird. Das wurde erfüllt - trotzdem, was wird dort (hier, in Hamburg) gesungen? Die protestantischen Großmeister. J.S. Bach und Heinrich Schütz. Schon der banalste Gemeindechoral geht auf protestantisches Liedgut des 16. Jh. hinaus. Und da werd ich stinkig, daß den Katholiken auch nichts weiter einfällt als die Reformation nachzubeten, obwohl sie einen Lassus und einen Josquin hatten.

http://youtube.com/watch?v=LUAgAF4Khmg

HalloThorsten.
Also schließe ich, bist du nicht so ganz mit deiner Religion zufrieden, nicht wahr? Bedenke dabei, die ursprüngliche Kraft aller Religionen ist fast ganz verlorengegangen. Darauf sollte man sich einstellen und gewisse Kompromisse eingehen, wenn man das eigene Glück nicht verlieren will. Das Glück ist viel wichtiger als fanatisch nach der korrekten Erscheinung von Menschen oder Institutionen zu sehen, wo nur sündige Menschen regieren werden. Es gibt keine fehlerfreien Menschen! Deshalb sollte man seinen Glauben nicht verlieren, sonst ist man haltlos.
Liebe Grüße Hermann
 
AW: Credo

Hallo Hermann,

ich hatte nur gemeint, daß, wenn innerhalb des katholischen Festamts protestantische Kompositionen zugelassen sind und man Protestanten mitsingen läßt, man diesen auch zugestehen sollte, am Abendmahl teilzunehmen.

Fällt Dir da immer noch nichts auf?
 
AW: Credo

...daß, wenn innerhalb des katholischen Festamts protestantische Kompositionen zugelassen sind und man Protestanten mitsingen läßt, man diesen auch zugestehen sollte, am Abendmahl teilzunehmen.

Oder, dass man in der röm.-kath. Liturgie die protestantischen Kompositionen nicht mehr zulässt und die Protestanten nicht mehr mitsingen lässt.

Immerhin haben die Protestanten aus Sicht der röm.-kath. Kirche eindeutig den falschen Glauben. Und wie der Name "Protestanten" vermuten lässt, haben die Protestanten selbst sehr wohl schon mitbekommen, dass sie keine Katholiken sind und dass sie nicht so wahnsinnig viel mit denen verbindet.

Ich meine, ich lasse in einem Tennisverein ja auch keine Golfspieler spielen. Sie haben einfach den falschen Sport, und sie können ja jederzeit in den Tennisverein wechseln. Aber nicht, wenn sie dann auf den Tennisplätzen Golf spielen.

lg Frankie
 
AW: Credo

Die katholische Sicht hast Du mir jetzt plausibel erklärt, Frankie, wir sind da also ganz eines Sinnes. Hab nur überlegt, ob Gott nicht doch curlt.

Ich muß mich für die unbedachte Aufführung "protestantischen" Musik-Repertoires im katholischen Raum natürlich auch entschuldigen - kein reformierter Mess-Komponist hätte im "Credo in unum Deum" je das obligatorische "...et in unam sanctam catholicam et apostolicam ecclesiam" weggelassen). Denn gerade weil sich die reformierte Kirche nicht auf die Apostelnachfolge berufen kann, verzichtete ihre anhängende Musikmeistergemeinschaft meist lieber ganz auf die Vertonung des "Credo", des Glaubenbekenntnisses - und da frage, ob das Genauigkeit in der Theologie oder Zurückhaltung im Bekenntnis sein soll.

Eine ordentliche katholische Messkomposition weiß jedenfalls nichts von diesem "et apostolicam". Nur der größenwahnsinnige Sebastian Bach, der hat in seiner "Hohen Messe" zynischerweise gegen seine Arbeitgeber etwas von einer "heiligen apostolischen Kirche" singen lassen. Durch einen Bass, von zwei schlichten Oboen begleitet, und im Rahmen des Glaubens an den heiligen Geist - als wenn das nicht noch schlimmer wäre, als wenn wir da nicht noch ein gar pfingstlerisches Gemüte erkennen könnten.

Wenn's denn freudevoller gesungen wäre:

http://youtube.com/watch?v=_dpOgCoAZLs
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Credo

Hallo Zeili,

Du weißt, daß von katholischer Seite "Ökumene" als Einheit der katholischen und der orthodoxen Ostkirchen verstanden wird - wobei der Papst sehr eindeutig diese Ökumene stärker mit der russisch- als der griechisch-orthodoxen Kirche sucht.

Es geht noch weiter, Thorsten. In der Synode sitzen sie zusammen, die verheirateten Priester der Ostkirchen und die unter Zwangszölibat lebenden Römisch-Katholiken -grins.


Toll. Ich bin Protestant im katholischen Domchor - das Abendmahl darf ich aber nicht mitfeiern, weil ich die Kommunion nicht empfangen habe. Aber ich stehe im katholischen Gottesdienst und singe da eine offensichtlich erlaubte protestantische Messe, die dazu auffordert, daß jeder - aber wirklich jeder, konfirmiert oder kommuniert oder nicht - aus freier Entscheidung am Abendmahl teilnehmen darf. Allein, wenn ich der Aufforderung folge, wird mir beschieden, daß Christi Leib und Blut so nicht für mich bestimmt seien, denn ich habe ja die Kommunion nicht empfangen. Aha. Danke.


Will ich vielleicht auch nicht, vielleicht doch, vielleicht nicht.

Meine einzige Gegenforderung lautet, daß Katholiken hinfürderweise in Zukunft auf die Aufführung protestantischer geistlicher Musiken insbesondere in der Passionszeit verzichten möchten.

Oder aber sie lassen Protestanten zum Abendmahl zu.


Ich kenne mich ja nicht aus, aber möglich wäre, dass der Priester in der Wahl der geistlichen Musik wie auch der Musiker und Sänger (schliesslich steht die Kirchentüre ja offen, nicht?) frei ist.

Würde er Dir aber die Teilnahme am Abendmahl erlauben, riskiert er eine hohe Strafe.
Dies findest Du -wenn Du den Nerv hast, es auch zu lesen- hier begründet.

Das Abendmahl wird auch in anderem Zusammenhang oft diskutiert, die Fragwürdigkeit 'Christi Leib und Blut' zu reichen, mit Kannibalismus nicht nur verglichen, sondern gleichgesetzt. Erstrebenswert?

Gruss
Jérôme
 
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