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Borderline: Vorgeschichte und Umgang mit Aggressionen

barbwire

New Member
Registriert
18. August 2007
Beiträge
12
Hi!

Ich habe mich soeben registriert!
Es gibt soviel, was ich mitteilen und fragen möchte, allerdings fürchte ich, dass niemand meinen Text lesen wird, wenn er zu lang ist, also versuche ich mich kurz zu halten (Betonung auf „versuchen“)

Ich bin 18 und weiblich. Ich wuchs in einer Familie auf, die mir weder Liebe noch Aufmerksamkeit schenkte. Von außen hin wirkte alles wie eine Happy Family, Mutter und Vater (anscheinend) glücklich verheiratet, 2 Kinder, die sehr erfolgreich in der Schule waren (kein Wunder, wenn man den ganzen Tag zum lernen gezwungen wird).
Mein Vater war immer schon sehr eigen. Erstens mochte er keine Mädchen. Mein Bruder stand immer im Mittelpunkt und ihm wurde alles gegeben, was ein Kind braucht, um sich entwickeln zu können. Heute hat er seine Schule abgeschlossen und wird studieren. Ich liebte ihn über alles, war aber auch sehr eifersüchtig. Die einzige Zuwendung, die ich bekam, waren Beschimpfungen und Schläge. Obwohl meiner Meinung nach die Wörter viel mehr auf die Seele gehen, ich meine, wie soll man mit 5 Jahren die Worte des Vaters „Ich wünschte du wärst tot“ verkraften? Und diese Aussage war die Folge von Tränen! „Meine Tochter hat keinen Grund zum Weinen“ Mit 13 habe angefangen, zu ritzen. Ich konnte es ziemlich lange verheimlichen, auch als ich im Gesicht schnitt, interessierte es keinen. Doch irgendwann eskalierte die Geschichte, mein Vater realisierte, dass ich mich geschnitten hab, ich wurde durch die Wohnung gestoßen, gewürgt, geschlagen. Es war wirklich nicht lustig. Ich konnte fliehen, kam ca. 6 Stunden später wieder, erwartete mir eine Umarmung und ein klärendes Gespräch, stattdessen musste ich die ganze Wohnung sauber machen. Ich bettelte, mich wegzugeben, Internat, Heim, was auch immer, doch ein Internat wollten sie nicht zahlen „Das bist du uns nicht wert“ und wegen dem Heim sagten sie „Was denken dann unsere Verwandten?“ Also blieb ich dort. Ich machte (heimlich) eine Therapie im Kinderschutzzentrum, bei der Frage von körperlicher Gewalt in der Familie brach ich ab, ich wollte es nicht eingestehen. "Ich habe eine tolle Familie" Mit 14 landete ich in der Psychiatrie, genauso mit 15 (Diagnose Psychose – habe ich aber definitiv nicht), nach meinem Aufenthalt ließen sich meine Eltern scheiden und 16 (Diagnose Borderline UND Psychose… aha??). Dazwischen war ich in einer Tagesklinik, auch ein Schulversuch wurde gestartet. Nachdem mein SVV immer schlimmer wurde und ich SM-Gedanken hatte, kam ich in eine Jugendpsychiatrie, diese schickten mich, nachdem sie nicht mit mir klar kamen, auf die Geschlossene. Insgesamt war ich 14 Monate dort. Dort hat sich viel getan, über 100 Fixierungen (meist über 12 Stunden und ohne Beobachtung), Zwangsmedikation, Schläge durch Mitpatienten und Pfleger, Entwürdigungen durch das Personal, Selbstmordversuch (Fenstersprung) usw. Um angegriffen zu werden, also Körperkontakt zu erhalten, provozierte ich Fixierungen. Grob angefasst und beschimpft zu werden war mir immer noch lieber als gar nicht beachtet zu werden. Die Konsequenzen für SVV, Aggressionen und freches Verhalten kannte ich, aber irgendwann nimmt man es in Kauf. Man kann sich nicht von heute auf morgen ändern, schon gar nicht dort. Eigentlich wurde in dieser Psych alles nur noch schlimmer!
Nun wohne ich in einer betreuten Wohngemeinschaft, allerdings ist sie nicht auf Menschen wie mich spezialisiert. Aber ich finde keine andere WG, die mit meinen Aggressionen (gegen mich und andere) umgehen kann. Ich habe keine Freunde mehr, meine Verwandten wollen nichts mehr von mir wissen (außer meine Mutter, aber leider verstehen wir uns auch nicht mehr so wirklich gut).

Ich habe eine Abneigung gegen Medikamente, denn früher wurde ich damit so zugepumpt, dass ich überhaupt nichts mehr mitbekam, kaum noch sprechen konnte und extrem zunahm. Ich habe zwar jetzt noch etwas aufgeschrieben, aber ich verweigere es und im Moment geht’s mir nicht so schlecht, dass man mich zwingen könnte.

Ich habe ein starkes Bedürfnis nach körperlicher Nähe, keine Ahnung wieso. Von netten Menschen umarmt zu werden, löst ein komisches Gefühl in mir aus, ich genieße es, aber meist muss ich es erzwingen und das ist auf Dauer auch nix.

Achja und was noch komisch ist, ich binde mich seeehr stark an manche Personen. Dazu muss ich sie noch nicht einmal kennen, es kann jemand im Fernsehen sein oder jemand, den ich erst einmal kurz gesehen hab. Ich denke, ohne den Menschen nicht mehr leben zu können. Im Moment sind es 2 Betreuer. Und ich häng mich dann so an die Person und wenn diese mich einmal nicht beachtet oder keine Zeit mit mir verbringen will, wirft mich das total durcheinander. Und ich entwickle Hassegefühle und wende mich von dieser Person ab (was ich aber nur schlecht aushalte) oder verletze sie oder mich.
Woher könnte das kommen?

Ich kann nicht weinen. Ich erzähl die ärgsten Sachen aus meiner Kindheit und bringe nicht eine Träne rüber. Ich möchte weinen, aber es geht einfach nicht. Und wenn es doch einmal vorkommt, genier ich mich soviel, dass ich mich zurückziehe, damit es keiner mitbekommt. Ich möchte nicht schwach sein/wirken.

Meine Aggressionen sind extrem schlimm (für mich). Ich kann ganz schön stark sein, wenn ich aufgebracht bin. Was ich mir wünschte, wäre ein einfühlsames Gespräch in solch einer Situation, möglicherweise mit Berührung. Und zwar nicht als "Belohnung" für mein Verhalten, sondern um "runterkommen". Alle sagen, in solch einer Situation kommt man nicht an mich ran und wenn mich jemand berührt, kassiert er eine Ohrfeige, aber das glaube ich nicht. Sicher ist es schwer, aber was die Betreuer dann machen, hilft mir auch nicht: Hände verdrehen, Absonderung in einen bestimmten Raum, Festhalten, teilweise auch auf mich draufsetzen und mir hinterm Rücken die Hände verdrehen, Arzt anrufen, spritzen oder im schlimmsten Fall Einweisung. Ich kann mich nicht beruhigen, wenn mich wer gegen meinen Willen festhält (und dabei meine ich, jeder Körperteil wird festgehalten), vielleicht wegen den vielen Segufix Fixierungen, die ich hinter mir hab. Was meint ihr, wie man in solchen Situationen reagieren soll als Betreuer? Meint ihr denn auch, grobes Anfassen und Schmerzen zufügen bei Anspannung und Verzweiflung hilft? Wenn ja, wieso kann ich mich dann nie beruhigen? Ich werde ja nicht nur so behandelt, wenn ich aggressiv gegen andere bin, sondern auch wenn ich etwas zerstöre oder mich stärker selbst verletze oder auf der Fensterbank sitze. Ich bin ratlos.

Wie sieht es aus mit Chancen auf eine eigene Wohnung, Führerschein und Job bei der Diagnose Borderline?????

Freu mich schon auf Antworten,
Liebe Grüße
barbwire
 
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AW: Borderline: Vorgeschichte und Umgang mit Aggressionen

Eine erschütternde Beschreibung eines Menschen, nach der es nicht wundert, daß er (sie) zum Borderliner geworden ist.

Kürzlich brachte das ZDF einen Bericht über 3 Mädchen (Borderliner), die eine Zeitlang in der Charité in Berlin (wenn ich mich richtig erinnere) behandelt worden waren und derzeit versuchen, sich in den üblichen Alltag wieder einzugliedern.

Was an ihnen auffiel, war ihre Hoffnung, daß es ihnen gelingen könnte.
Das als Antwort auf Deine Frage "Wie sieht es aus mit Chancen auf eine eigene Wohnung, Führerschein und Job bei der Diagnose Borderline?????

Ich könnte mir denken, daß Du noch nicht den richtigen Platz gefunden hast, an dem Dir dann doch einigermaßen geholfen wird.
Aus welchem Bundesland stammst Du? Ich werde mich bei der betreffenden Ärztekammer erkundigen.

Im übrigen sehe ich für den Erwerb des Führerscheins keine Probleme.
Wohnen: für Borderliner gibt es bereits fachlich betreute Wohngemeinschaften.
Jobs: ich kenne Borderliner, die zunächst einmal als Aushilfskräfte, z.B. bei McDonalds, gearbeitet haben, um sich etwas zu verdienen und überhaupt etwas zu t u n , also sich zu beschäftigen.

Alles Gute Dir!
 
AW: Borderline: Vorgeschichte und Umgang mit Aggressionen

Hi Runner!

Erstmals danke für deine Antwort!

Zuhause bin ich derzeit in Oberösterreich, bin aber eigentlich Wienerin. Und daheim fühl ich mich im Moment sowieso nirgends. Spezielle Borderline Kliniken gibt es meines Wissens eher in Deutschland. Wär super, wenn du mir da nachfragen könntest :)

Mir ham 3 Sozialarbeiter diese Wg hier gefunden, Wg's wo sie sich mit Borderline auskennen, waren ihnen nicht bekannt. Sie meinten, dass das die jetzige Wg die einzige wäre, die mich nimmt wegen meinen Aggressionen?! Nur werden die nicht besser, wenn mich keiner versteht.

Ich werd mich nochmal erkundigen wegen dem Führerschein. Bis jetzt haben mir alle Mitmenschen bestätigt, dass ich als Borderliner ab jetzt noch ein paar Jahre warten muss, wenn ich einige Zeit (also Jahre?) symptomfrei bin, kann ichs versuchen... aha?

Lg
 
AW: Borderline: Vorgeschichte und Umgang mit Aggressionen

Was ich nicht begreife: kein Führerschein wegen „Aggressionen“? Das sind doch gegen sich selbst gerichtete Aggressionen. Möglicherweise ginge es aber über eine Art Gutachten, daß der Fahrschüler nicht wird das Auto des Fahrlehrers an die Wand fahren.

Entschuldige, barbwire, ich muß erst einmal umdenken: hatte ganz übersehen, daß wir uns hier in einem österreichischen Forum befinden. Und dann muß ich einige Recherchen anstellen. Ich melde mich wieder.
 
AW: Borderline: Vorgeschichte und Umgang mit Aggressionen

Hi!

Ich denke eher, wegen Suizidgefahr.
Borderline heißt für viele Unwissende automatisch selbstmordgefährdet. Und natüüürlich saust ein jeder dann gleich gegen den nächsten Baum...
Meine Freundin hatte auf ihrem Gutachten Borderline stehen, sie bekam den Führerschein dennoch, war aber ein Kampf. Allerdings war sie 1 Jahr komplett symptomfrei, was man von mir nicht behaupten kann ;)

Freu mich, wennst dich wieder meldest!
Lg barbwire
 
AW: Borderline: Vorgeschichte und Umgang mit Aggressionen

Laß' Dich doch erst einmal, aber sofort im Internet beraten, wie Du bezüglich Therapie und anschließender Eingliederung in einen normalen Lebensablauf weiterkommen könntest.

Hierzu:

http://www.borderline-plattform.de/
www.psychiatrie-wels.at
http://borderline.at/

**

Rat und Hilfe für Betroffene und Angehörige
Dr. Carina BREY
Tel.: 01/216 42 04
e-mail: psychotherapiepraxis@gmx.at

**

Fürs erste eventuell auch Anschluß an eine Selbsthilfegruppe.
Es gibt solche in Bregenz, Wien, Tirol
(siehe: 'borderline und svv selbsthilfegruppe wien').

------------------------
Ich bleibe indessen weiter dran und recherchiere im Ärztekammer-Bereich.
 
AW: Borderline: Vorgeschichte und Umgang mit Aggressionen

Danke für die Links :)

borderline.at ist sowieso einer meiner Favouriten, von dort habe ich eh schon viel kopiert und meinen Betreuern ausgedruckt. Die Musik ist kitschig, aber voll passend *gg*

Lg barbwire

PS: Weiß jemand von euch, wie es in einer Borderline Klinik abgeht, wird dort ohne Fixierung und Zwangsmedikation gearbeitet??
 
AW: Borderline

Zur Pharmakotherapie und zur Psychotherapie der Borderline-Persönlichkeitsstörungen kann man sich auch in dem Buch „Persönlichkeitsstörungen“ von W. Tress et alii informieren (Seiten 157 ff); www.schattauer.de, 2002.

Stationär, teil-stationär in Tages- oder Nachtkliniken, Übergangs-Wohneinrichtungen.

Die Pharmakotherapie wird dort sehr kritisch beurteilt.
Niedrig dosierte Neuroleptika, Phenelzin, Carbamazepin, keine trizyklischen Antidepressiva,, evtl. MAO-Hemmer, evtl. Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer – je nach Form der Borderline-Störung unter sorgfältiger Abwägung.

Auf diesen Seiten ist nirgends die Rede von Fixierung oder von Zwangsmedikation.
 
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AW: Borderline: Vorgeschichte und Umgang mit Aggressionen

Liebe Barbwire!

Also, wenn ich mir bewusst mache, wie schwer mir allein das Lesen deiner Geschichte fällt, dann bekomme ich eine vage Ahnung davon, wie schwer es sein muss, das alles auszuhalten!

Da ich allerdings nichts zu deiner Krankheit sagen kann, was du nicht selber viel besser weißt, habe ich eine ganz andere Frage: was hast du denn für Pläne mit deinem Leben ab jetzt - unabhängig von allem, was bisher geschehen ist?

Das würde mich interessieren (wenn du Lust hast, das zu beantworten)...

lg Frankie
 
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