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Atheismus und seine Folgen sowie jene die hätten sein können

xcrypto

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28. März 2008
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439
Mir ist heute morgen ein interessanter Gedanke gekommen. Ich bin natürlich nicht so vermessen zu behaupten ich wäre der Erste mit diesem Gedanken aber ich poste trotzdem mal, es erscheint mir diskutierenswert.

Ich muss allerdings ein wenig ausholen. Ich bin in der DDR aufgewachsen und zwar atheistisch. Religion fand bei uns schlicht nicht statt. Nicht zu Hause, nicht bei Freunden, nicht in der Schule, nicht später in der Lehre. Ich kann mich nicht an irgendwelche religiös gefärbte Berichte in Zeitungen oder Fernsehen erinnern, höchstens an das obligatorische Ormi-et-Orbi zu Ostern vom Papst (oder wie man das ausspricht).

Die DDR war ein säkularer Staat. Dieses Detail unterschied sie zwar nicht von der Bundesrepublik, allerdings - hier kommt wieder die typisch deutsche Gründlichkeit zu Tage - haben unsere "Gründerväter" den Säkularismus wortwörtlich genommen und jegliche Religion aus der Öffentlichkeit getilgt, sie war zwar nicht in dem Sinne verboten aber eben auf die reine private Ebene beschränkt. An irgendwelche öffentliche Prozessionen kann ich mich nicht erinnern, wenn es sie gab, dann wenn überhaupt, eher auf dem Land und dann ist davon auch nirgends berichtet worden.

In der Realität war es aber so, dass Menschen, die sich öffentlich zu ihrer Religion bekannten als Aussätzige behandelt worden sind, ähnlich wie heute in der BRD Linke behandelt werden. Man hatte einfach einen schlechten Stand, wenn man das tat. Ein berufliches Weiterkommen war damit sogar weitgehend ausgeschlossen.

Diese Politik wird dazu geführt haben, dass der Grossteil der Eltern ihre Kinder atheistisch erzogen hat, wohlwissend, dass sich eine religiöse Erziehung von Kindern nicht verbergen lassen würde. In meiner Klasse (24 Schüler) gab es lediglich eine Schülerin, die religiös war.

Aber zurück zu meiner Erkenntnis von heute Morgen. Ich habe irgendwie von meiner Mutter geträumt und bin durch irgendwas geweckt worden wesewegen ich mich noch daran erinnere. Der Traum an sich ist uninteressant. Interessant ist, was mir danach aufgefallen ist, nämlich, dass mein Kopf voller lehrreicher Sprichwörter für alle Lebenslagen ist, die ich offenbar von meiner Mutter eingeimpft bekommen habe. Bislang hatte ich immer geglaubt, dass es sich bei all den Sprichwörtern um alte Bauernweisheiten handele.

Es stellt sich nun heraus, dass die allermeisten dieser Sprüche die Worte von Jesus Christus sind, oftmals 1:1 in der Bibel nachlesbar, der Grossteil in der Bergpredigt.

Das finde ich überaus frappierend. Meine Mutter hat mir "christliche Werte" beigebracht, ohne Christus. Unter christliche Werte verstehe ich hier: die Moral Jesu, also Nächstenliebe, Selbstlosigkeit, Hilfsbereitschaft, die andere Wange hinhalten und dergleichen; aber nicht Glauben oder Religion an sich.

Wenn ich das nun durchdenke, so könnte ich mir vorstellen, dass das nicht nur bei mir so war, sondern in meiner ganzen Generation, zumindest bei einem Grossteil, ebenso wie der Generation davor, der meiner Eltern.

Meine Hypothese ist, dass durch diese vom Staat erzwungene atheistische Erziehung mit heimlicher Unterschiebung christlicher Werte genau die Art Weltanschauung und Einstellung entstanden ist, die dazu geführt hat, dass unsere "Revolution" 1989 friedlich verlaufen ist. Überhaupt die Idee, eine Revolution könne friedlich sein, kam meines Wissens erst '89 auf (ich mag mich hier aber irren).

Ich gehe in dieser Hypothese sogar noch einen Schritt weiter und behaupte, dass, wenn eine solche Art der Erziehung auf der ganzen Welt seit 3 oder mehr Generationen stattgefunden hätte, wir heute eine weitgehend friedliche Welt hätten. Meine Tochter könnte dann heute in Ramala Archäologie studieren, es gäber immer noch Hunderttausende Amerikaner im Irak, allerdings als Touristen, und unser aktueller Bundeskanzler hätte einen Migrationshintergrund.

Was meint Ihr zu dem Gedanken?




gruss, xcrypto

PS: Mein Betreff ist falsch, nach Atheismus müsste noch stehen "in der DDR", eventuell kann das ein Admin bitte korrigieren, ich scheine das nicht zu dürfen. Dankesehr.
 
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AW: Atheismus und seine Folgen sowie jene die hätten sein können

Hallo xcrypto, da ich auch DDR-Gewächs und Atheist bin, kann ich Dir vielleicht mit einiger Glaubwürdigkeit erwidern:

Die Rolle der Religion in der DDR stellst Du zutreffend dar, eine kleine "Hilfe" sei aber angeboten:

Ich kann mich nicht an irgendwelche religiös gefärbte Berichte in Zeitungen oder Fernsehen erinnern, höchstens an das obligatorische Ormi-et-Orbi zu Ostern vom Papst (oder wie man das ausspricht).

Man sagt Urbi et Orbi ("Der Stadt und dem Erdkreis" heißt das wohl).

In der Realität war es aber so, dass Menschen, die sich öffentlich zu ihrer Religion bekannten als Aussätzige behandelt worden sind, ähnlich wie heute in der BRD Linke behandelt werden. Man hatte einfach einen schlechten Stand, wenn man das tat. Ein berufliches Weiterkommen war damit sogar weitgehend ausgeschlossen.

Hier muss ich Dir widersprechen, weil ich einige gegenteilige Beispiele kenne.
Ich hatte mehrere christliche Kollegen und Mitschüler (nicht in der FDJ, DSF etc.), von denen ich zuverlässig weiß, dass sie studiert und erfolgreich z.B. als Physiker, Chemiker gearbeitet haben (und das heute noch tun).
Ich habe in der DDR die Erfahrung gemacht, dass solche Schicksale sehr von der Persönlichkeit des örtlichen Entscheidungsträgers (=kleinen Diktators) abhingen.


Das finde ich überaus frappierend. Meine Mutter hat mir "christliche Werte" beigebracht, ohne Christus. Unter christliche Werte verstehe ich hier: die Moral Jesu, also Nächstenliebe, Selbstlosigkeit, Hilfsbereitschaft, die andere Wange hinhalten und dergleichen; aber nicht Glauben oder Religion an sich.

Wenn ich das nun durchdenke, so könnte ich mir vorstellen, dass das nicht nur bei mir so war, sondern in meiner ganzen Generation, zumindest bei einem Grossteil, ebenso wie der Generation davor, der meiner Eltern.

Ja, klar, die christliche Moral ist in großem Maße vorbildlich, auch meine atheistischen Eltern haben mir diese Werte nicht vorenthalten - nur eben, und das scheinst Du auch sagen zu wollen: Um moralisch zu handeln, ein wertvoller Mensch zu sein, braucht man keinen Gott.

Meine Hypothese ist, dass durch diese vom Staat erzwungene atheistische Erziehung mit heimlicher Unterschiebung christlicher Werte genau die Art Weltanschauung und Einstellung entstanden ist, die dazu geführt hat, dass unsere "Revolution" 1989 friedlich verlaufen ist. Überhaupt die Idee, eine Revolution könne friedlich sein, kam meines Wissens erst '89 auf (ich mag mich hier aber irren).

Ich gehe in dieser Hypothese sogar noch einen Schritt weiter und behaupte, dass, wenn eine solche Art der Erziehung auf der ganzen Welt seit 3 oder mehr Generationen stattgefunden hätte, wir heute eine weitgehend friedliche Welt hätten. Meine Tochter könnte dann heute in Ramala Archäologie studieren, es gäber immer noch Hunderttausende Amerikaner im Irak, allerdings als Touristen, und unser aktueller Bundeskanzler hätte einen Migrationshintergrund.

Deine Schlussfolgerung lautet also: Wenn wir eine "christliche Erziehung ohne Gott" (richtig verstanden?) weltweit hätten, wäre die Welt ein gewaltfreier friedlicher Platz?

Da kann ich gar nicht zustimmen, denn der Mensch ist nicht wegen der Religion so schlecht, wie er manchmal ist, sondern "an sich" (wegen der Abstammung aus dem Tierreich eben).

Es gibt nur eine Ausnahme: "reine" Religionskriege. Sowas ist aber, glaube ich, selten, denn die Religion wird meistens nur als Deckmäntelchen für reine Machtinteressen verwendet.

Eine bedeutsame Ausnahme bilden aber wohl die islamistischen Terroristen.

LG, pispezi :zauberer2
 
AW: Atheismus und seine Folgen sowie jene die hätten sein können

Nicht jedes Zitat, das auch in der Bibel zu finden ist, ist damit automatisch eine christliche Aussage.

Der Kategorische Imperativ und andere, schlicht aus der Aufklärung stammende Überlegungen prägen m.E. unsere Wertevorstellungen nachhaltiger als irgendwelche religiösen Fragen.

Als ein im Westen aufgewachsener, unter der Kirche gelitten habender Zeitgenosse ist mir eine säkulare Gesellschaft wünschenswerter als unsere, überall von der Macht der Kirchen durchdrungene.

Last not least bin ich immer noch der Meinung, dass 1989 keine Revolution stattgefunden hat, bestenfalls eine Revolte; es ist ja keine Gesellschaftsordnung verändert worden, sondern nur eine - zugegeben sehr formale - Demokratie gegen eine andere formale Demokratieform ausgetauscht worden.
 
AW: Atheismus und seine Folgen sowie jene die hätten sein können

wenn eine solche Art der Erziehung auf der ganzen Welt seit 3 oder mehr Generationen stattgefunden hätte, wir heute eine weitgehend friedliche Welt hätten.

Es ist eine Sache, eine konstruktive Einstellung zu den eigenen Mitmenschen zu haben. Man nennt das landläufig "Ethik". Aber in der Tiefe ist das mE nichts anderes als eine konstruktive Einstellung zu sich selbst, zu anderen Menschen und zur Welt überhaupt (anstatt einer destruktiven).

Wenn nun jemand zusätzlich zu dieser konstruktiven Einstellung auch noch eine tiefe persönliche Beziehung zu Gott hat, also religiös ist, dann macht das die Welt aber in keiner Weise schlechter.

Ich kann daher nicht erkennen, was das Atheistische daran ist, das da in irgendeiner Weise nötig wäre.

Die Probleme kommen nicht von den Religiösen, sondern von den Destruktiven, egal welchen Glaubens oder "Un"glaubens.

lg Frankie
 
AW: Atheismus und seine Folgen sowie jene die hätten sein können

Nicht jedes Zitat, das auch in der Bibel zu finden ist, ist damit automatisch eine christliche Aussage.

Der Kategorische Imperativ und andere, schlicht aus der Aufklärung stammende Überlegungen prägen m.E. unsere Wertevorstellungen nachhaltiger als irgendwelche religiösen Fragen.

Als ein im Westen aufgewachsener, unter der Kirche gelitten habender Zeitgenosse ist mir eine säkulare Gesellschaft wünschenswerter als unsere, überall von der Macht der Kirchen durchdrungene.

Last not least bin ich immer noch der Meinung, dass 1989 keine Revolution stattgefunden hat, bestenfalls eine Revolte; es ist ja keine Gesellschaftsordnung verändert worden, sondern nur eine - zugegeben sehr formale - Demokratie gegen eine andere formale Demokratieform ausgetauscht worden.

Hallo Oktoberwind,
lass mich Dir an zwei Stellen widersprechen:

Ich glaube nicht, dass @xcryptos Gedankengänge den prägenden Wert z.B. Kantscher Maximen in Frage stellen.
Weiterhin kann ich heute keinesfalls sehen, dass kirchliche Macht unsere Gesellschaft durchdringt - zum Glück.

Aber nun zu dem Punkt, an dem ich Dir wirklich ganz scharf widersprechen muss:
Die DDR war überhaupt keine Demokratie! Sie war nicht demokratischer als das heutige Myanmar.
Ich habe noch unauslöschlich in Erinnerung, wie ich selbst und andere in der Schule wegen "unsozialistischer" Äußerungen gemaßregelt wurden!
Und ich habe noch das unglaubliche Gefühl geistiger Befreiung vor Augen, als ich endlich den SPIEGEL, Karl Popper, Hoimar v. Ditfurth etc. lesen konnte.

Du als West-Gewächs kannst da - Verzeihung! - einfach nicht mitreden.

LG, pispezi :zauberer2
 
AW: Atheismus und seine Folgen sowie jene die hätten sein können

...dafür weiß ich einiges über die Macht und Gewalt der Religion bzw. der Kirche, die m.E. sehr wohl unsere Gesellschaft überall durchdringt...
 
AW: Atheismus und seine Folgen sowie jene die hätten sein können

...dafür weiß ich einiges über die Macht und Gewalt der Religion bzw. der Kirche, die m.E. sehr wohl unsere Gesellschaft überall durchdringt...

Hmmm, da kannst Du vielleicht mehr sagen als ich.
Aber ich kann nur berichten, dass es mir auch nach 1989 hervorragend gelungen ist, mir die Pfaffen vom Halse zu halten.
Warum Du da ein Problem hast, weiß ich nicht.

LG, pispezi :zauberer2
 
alle Atheisten

Darf ich an die bekennenden Atheisten eine Frage richten:

Was ist Gott für euch? Ich meine, wenn ihr nicht an Gott glaubt, so müsst ihr doch ein Bild von diesem Gott haben. Es wäre schließlich sinnlos zu meinen, man glaubt an etwas nicht, wovon man keine Vorstellung hat.
Also, wie stellt ihr euch Gott vor?

fragt sich
Ben
 
AW: alle Atheisten

Darf ich an die bekennenden Atheisten eine Frage richten:

Was ist Gott für euch? Ich meine, wenn ihr nicht an Gott glaubt, so müsst ihr doch ein Bild von diesem Gott haben. Es wäre schließlich sinnlos zu meinen, man glaubt an etwas nicht, wovon man keine Vorstellung hat.
Also, wie stellt ihr euch Gott vor?

fragt sich
Ben

Hi Ben,
eine geschickte Frage, die ich Dir gerne beantworte:

Was Gott sein soll, erfahre ich natürlich von den verschiedenen monotheistischen Religionen. Wenn wir mal den nächstliegenden Fall - das Christentum - nehmen, sähe das etwa so aus:

Gott hat die Welt, die Lebewesen und insbesondere den Menschen (der ein total anderes Lebewesen ist) geschaffen.

Außerdem wirkt er auch aktuell ständig ein, weil er uns ja liebt. Dass ihm das häufig misslingt, liegt nicht an ihm, sondern am falsch angewendeten freien Willen der Menschen (also an ihrer Sündhaftigkeit) - oder am Teufel, so wurde früher gedacht.

An diesen christlichen Gott glaube ich nicht, was genau heißen soll:
Ich glaube nicht, dass irgendeine Wesenheit die Welt und uns Menschen geschaffen hat. Und ich glaube auch nicht, dass irgendeine Wesenheit auf unser Dasein neben den Naturgesetzen eingreift.

Aber ich kann es nicht ausschließen, weil Gott nicht widerlegbar (und nicht beweisbar) ist.


LG, pispezi :zauberer2
 
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